Ich sollte es besser wissen! Nach meiner ersten Odyssee in
Kyôto (Wir erinnern uns, Illegaler Einwanderer ja oder nein), hätte ich gleich
wissen müssen, dass so ein einfaches Umtauschen des Visums nicht ohne Probleme ablaufen
würde. Erste Anzeichen gab es schon beim Ausknobeln der Anreise. Das Tôkyôer
Immigrationsbüro ist nämlich genau hier:
http://g.co/maps/3hedh
Auf der Google Karte sieht das doch noch ganz angenehm aus,
oder? Bis Shinagawa mit dem Zug, und dann ein wenig auf den großen Straßen
laufen, voila, da! Schon die Kommentare hätten mich stutzig machen müssen. Von
Standorten Mitten im Nirgendwo, ohne Busverbindung ist da die Rede. Aber man
soll ja keinem wütenden Ausländer glauben, also mache ich mich trotzdem auf den
Weg.
Die Sonne scheint, was will man mehr? Raus aus dem Bahnhof,
und über die Brücke bin ich noch guter Dinge. Bis meine gewählte Straße
plötzlich in einer Sackgasse endet. Öhm, ok, hier ist schon mal kein
Immigrationsbüro. Also auf zur nächsten großen Straße und über zwei weitere
Brücken. So langsam hätte ich nichts dagegen, wenn die Sonne etwas weniger
stark strahlen würde.
Plötzlich stehe ich in einem Fabrikviertel, und zwar rollen da
massenweise LKWs an mir vorbei, doch wo soll denn jetzt dieses Amt sein?
Endlich nach gefühlten Stunden, sehe ich verdächtige weiß-rote Flaggen am
Horizont. Es blieb zu hoffen, dass die sich nicht als Fata Morgana entpuppen
würden. Doch endlich kommen mir auch ein paar Ausländer entgegen. Das ist doch
ein gutes Zeichen! Vor dem beflaggten Gebäude findet sich noch ein weiteres
sehr interessantes Bauwerk: eine Bushaltestelle. Na gut, sehen wir es positiv,
ich kann mich auf dem Rückweg nicht nochmal verlaufen.
Mit einem panischen Blick auf meine Uhr (es ist bereits 3
Uhr nachmittags!), hechte ich nach drinnen, und frage mich durch die
Informationen. Zunächst geht noch alles glatt. Nachdem ich gefühlte 10 Mal dieselben
Fragen (Ja, mein Studium hier ist beendet. Ja, ich will am 11. Juni das Land
verlassen. Mit dem Touristenvisum reist es sich billiger.) beantwortet habe,
bin ich um 3 Seiten Formulare und einen Abgabeort reicher. Diese Fragerunden
plus Ausfüllen des Formulars haben mich aber bereits eine weitere Stunde
gekostet, und 4 Uhr nachmittags machen in japanischen Behörden die
Anmeldestellen dicht. Danach bekommt man keine Wartenummer mehr.
Ich hechte also zum Abgabeschalter und setze mein bestes
hilfloser Ausländer Gesicht auf. Irgendwann (es ist bereits 4:30 Uhr) erbarmt
sich dann ein Schaltermitarbeiter. Er sieht sich meine Formulare nebst Pass an,
und macht ein Gesicht, das mich ganz nervös werden lässt. Es ist nie ein gutes
Zeichen, wenn ein Japaner seinen Kopf schief legt. Es ist noch ein schlechteres
Zeichen, wenn er dazu noch zischt. Ganz, ganz schlechtes Zeichen. Schließlich,
als die Angaben meines Passes und Formulars sich auch nach mehrmaligen Drehen
und Wenden nicht verändern, überbringt er mir sein Urteil.
Die japanische Behörde stelle im Moment keine Touristenvisa
für länger als 30 Tage aus. Ich blinzele, frage nochmal nach, lege ebenfalls
den Kopf schlief und kann mich gerade noch selbst vom Zischen abhalten. Wie
jetzt? Aber es steht doch selbst auf den Botschaftsseiten, dass das Touristenvisum
für 3 Monate gilt. Ja, das gelte immer noch, wenn man frisch ins Land einreise.
Aber bei der Veränderung des Visumsstatus im Land seien die Mitarbeiter
angehalten, höchstens Visa mit der Gültigkeit von 30 Tagen auszugeben.
Und nach dieser Antwort wird mein japanischer Beamter ganz
ruhig. Erinnert ihr euch noch an meine Schilderung von Meeting Etikette? Wie
bei Problemen alle ganz still werden und keiner eine Entscheidung treffen will?
Genau dasselbe passiert nun noch einmal in einer für mich ungleich wichtigeren
Situation. Außer einem gelegentlichen „Komaru na…“ (Das bringt aber Schwierigkeiten, nicht wahr?) ist aus meinem Beamten nichts mehr herauszukommen.
Doch dieses Spiel kann man auch zu zweit spielen! Anstatt
wie vielleicht erwartet irgendwann aufzugeben, meine Formulare zu nehmen, und
zu gehen, bleibe ich (höflich lächelnd aber bestimmt) am Schalter
festgewachsen, betrachte meinen Pass und grunze ab und zu bejahend. Mir ist
egal, wie lange ich hier stehen muss. Ich habe keinen Feierabend.
Nach einer weiteren halben Stunde (die Uhr zeigt nun schon 5
Uhr abends), habe ich mich immer noch keinen Zentimeter wegbewegt. Und, oh
Wunder, mein Beamter ist nun zu einer Entscheidung gelangt. Er nickt mir zu und
meint, es gäbe in Ausnahmefällen die Möglichkeit, immer noch das Touristenvisum
auf 3 Monate auszustellen.
Innerlich will ich ihn anschreien, warum das nicht gleich so
ging, doch grunze nur zustimmend. Dazu gäbe es nur ein Problem. Gedanklich
stelle ich mich schon auf eine lange Nacht im Ausländerbüro ein, doch dieses
Problem ist leider nicht durch einen Sitzstreik zu beseitigen. Meine Aliencard
ist in Kyôto ausgestellt, das heißt, ich müsste diese Visumsänderung in Kyôto
ausführen lassen. Gedanklich will ich nun schlussendlich doch aufgeben, als
mein neuer Lieblingsbeamter sich wenigstens noch zu einem neuen Schlachtplan
erweichen lässt.
Wenn ich die Adresse meiner jetzigen Aliencard in einer
Tôkyôer Adresse umwandeln ließe, und nochmal hier her käme, dann könne man per
Sonderregelung ein dreimonatiges Touristenvisum ausstellen. Und ich? Ich weiß
langsam nicht mehr, ob ich lachen oder weinen soll. Mit meinen, ganz zu unnütz
ausgefüllten, Formularen im Schlepptau verlasse ich das Immigrationsbüro und
bin zwar um eine ganze Menge Erfahrungen, aber kein Touristenvisum reicher.
Morgen geht der Kampf dann im Bürgerbüro meiner
Verwaltungsbehörde weiter. Und dann darf ich noch einmal zum Immigrationsbüro
pilgern. Oh Freude!
Heute Abend habe ich mir dann zum Stressabbau Kartoffelbrei gemacht.
Aus richtigen (im Ergebnis doch nicht weichkochenden) Kartoffeln. Und ohne das
richtige Werkzeug, also schlug ich einfach auf die gekochten Kartoffeln mit
allem ein, was die Küche so hergab. Mit genug Milch und Butter war das dann
auch gar nicht so schlecht.
Meine Ausstellungseröffnung am Sonntag war übrigens auch
schön. Wie die ersten Fotos zeigen, waren wir in einem kleinen Cafe mit netter
Dekoration und Hängematte. Doch bei den ganzen Quasiprofis mit riesigen Kameras
kam ich mir mit meiner kleinen Digitalkamera doch etwas schäbig vor und habe
nicht viel fotografiert.