Die letzte Schlacht ist geschlagen. Ich bin ermattet wieder
zuhause, esse Nudeln und japanischen Gummibärenersatz. Das war heute mal ein
langer Tag. Um sieben Uhr klingelt mein Wecker, denn ich will als erstes zur
Verwaltungsbehörde für meine Adressänderung. Doch die ist genau an einer
Bahnstation, die ich nicht von meiner Hausstation aus erreichen kann. Also ist
mal wieder Fersengeld angesagt. Die Leute auf dem Amt verstehen zwar nicht ganz
genau, warum die komische Ausländerin sich noch für zwei Wochen in einer neuen
Stadt anmelden will, sind aber sehr schnell dabei, mir nochmal die vollkommen
überflüssige japanische Krankenversicherung anzudrehen. Aber nicht mit mir. Ich
stelle mich einfach doof und lächle höflich, bis sie irgendwann aufgeben und
ein fleißiger Japaner auf die Rückseite meiner Aliencard mit schwarzem Filzstift
meine neue Anschrift notiert. Dabei verschreibt er sich auch noch! Außerdem ist
es fast unlesbar, durch die dünnen Linien und den dicken Stift. Das hätte ich
da auch selbst draufschmieren können!
Aber egal, um 8:30 Uhr starte ich den Versuch, mit der Tôkyôer
Yamanote Bahn noch einmal in Richtung Ausländerbehörde zu pilgern. Die Betonung
liegt dabei auf dem Wort „Versuch“. Denn die Yamanote ist einer der
Hauptverkehrsbahnen in Tôkyô, besonders bei den Berufstätigen. In der Reihe vor
mir standen an einer Tür bereits an die 60 potentielle Fahrgäste. Alle steigen
in das bereits gut gefüllte Abteil, und in dem Strom werde ich ebenfalls durch
die Türen ins Innere gesogen. Das macht mir noch keine Sorgen. Probleme beim
Atmen bekomme ich erst, als nach mir auch noch mindestens 30 weitere Menschen
einsteigen. Durch meine bisherigen Erfahrungen kann ich wohl mit Fug und Recht
behaupten, nicht besonders klaustrophobisch zu sein. Doch die 30 minütige
Bahnfahrt war definitiv ein Vorgeschmack auf die Hölle.
Vom Shinagawa Bahnhof geht es diesmal wohlweislich mit dem
Bus weiter zur Behörde, gleich an den Informationsstellen vorbei (Lassen Sie
mich durch, ich kenn mich aus, und ich weiß genau wo ich hinmuss!) in den
zweiten Stock zu meiner Endstation von gestern. Dort kommt es diesmal zum
Showdown mit einer weiblichen Schalterbeamtin.
Nachdem das Problem nochmal hinreichend erörtert wurde und
ich wieder seitenweise Formulare ausfüllen durfte, entstehen plötzlich neue
Probleme. Man habe die Weisung (ich HASSE diese grammatische Konstruktion
inzwischen!) Visaänderung nur dann zu bewilligen, wenn eindeutige Nachweise
vorliegen, dass die Gründe für den momentanen Visumsstatus erloschen sind. Außerdem
benötige man die Flugnummer meines Rückfluges, um meine Ausreise zu
gewährleisten.
Ich blinzele die Dame an, und beschließe in diesem
Augenblick, der Frau keinen Zentimeter mehr zu schenken. Ohne weiter auf diese
Dinge einzugehen, erkläre ich in sehr höflichem Japanisch, dass mir gestern die
Visaänderung mit eben diesen Unterlagen an eben diesem Schalter zugesichert
wurde.
Während die Dame schon anfängt ihr Band zurück zu spulen und
nochmal von Weisungen anfängt, lächele ich nur höflich und verstehe plötzlich
leider kein Wort mehr von dem, was sie sagt. Da diese nette „Weisungsgrammatik“
sich schwer ins Englische übertragen lässt, und sie der Sprache auch nicht
wirklich mächtig ist (Wir erinnern uns, das hier ist das Tôkyôer
Immigrationsbüro), schweigen wir uns nach kurzer Zeit einfach nur noch an. Ich
schiele immer wieder vielsagend auf meine Formulare, blicke ihr freundlich
lächelnd in die Augen und warte. Es ist bald 11 Uhr, bald Zeit für die
Mittagspause. Und dann, fast unverhofft, gibt sie auf. Ja, man könne ja eine
Ausnahme machen in speziellen Fällen. Sprachs, und verschwindet mit meinem Pass
nebst den Formularen im Hinterzimmer. Ich weiß, dass mich dieses Verhalten
irgendwann auf schwarze Listen bringen wird, aber irgendwann ist es doch auch
mal genug.
Eine halbe Stunde später kommt ein andere Mitarbeiter mit
meinem Pass zurück. In der Hand hält er außerdem eines dieser ominösen
Stempelformulare, das Japaner so lieben. Der (noch sehr junge) Beamter sieht
ein wenig eingeschüchtert aus, als könnte ich ihn jeden Moment über die Theke
hinweg anspringen. Dazu hat er im Retrospektion auch allen Grund. Denn, er
wurde auserkoren, mir die weitere Prozedur dieser Aktion zu erklären. Ich müsse
nun von Halle A nach Halle B Schalter 5 laufen, mir dort meine Formulare
abgeben, nach einem Exorzismus diese Papiere wieder in Empfang nehmen und
zurück in Halle A Schalter 1 laufen. Ich glaube einen Moment, mich verhört zu
haben. Doch nein, das meint der wirklich ernst. Ich greife mir immer noch
ungläubig meine Unterlagen und mache mich auf nach Halle B. Wollen die mich
jetzt wirklich für dumm verkaufen? In meinem Hinterkopf spielt während der
folgenden Schnitzeljagt durch die Behörde immer wieder der Sketch von Asterix
und Obelix, die den Passierschein A38 bekommen müssen. Weit entfernt ist das
Immigrationsbüro wirklich nicht.
Irgendwann wieder zurück bei meinem neuen jungen
Schaltergegner, kommt der nächste Hammer. Ich solle jetzt runter in den
Supermarkt vor der Tür, und dort 40 Euro bezahlen. Denn, oh Überraschung, die
Umänderung des Visums kostet seit neustem Geld. Und das sagt er mir natürlich erst,
als mein Visum bereits entwertet ist, das neue aber noch nicht eingeklebt
wurde. Dieser miese kleine… 40 Euro ärmer ist es irgendwann geschafft. Ich bin
Tourist. Und durfte für den ganzen Aufwand auch noch 40 Euro berappen. Hoffen
wir mal, dass es das wert war. Denn irgendwie hätte ich heute Abend echt nichts
dagegen, wenn mein Flug morgen schon gehen würde. Aber ich liebe Japan… das ist
ja das Problem an der ganzen Sache!
Ooh, gleich Teil zwei hier.
AntwortenLöschenSieeg! Sieg!
Wunderbar. Für solche Geschichten geht man ins Ausland. Das ist der wahre Erfahrungsschatz. Von wegen ewiger Kampf Gut gegen Böse. Nein, nein, es geht um armer Ausländer gegen Behörde, aber so ganz anders ist das ja nicht.
Jedenfalls herzlichen Glückwunsch zum Touristenvisum. Geld musste ich damals auch bezahlen. Ich musste irgendwie so eine komische Marke kaufen, die aufs Forumlar kam und dann hatte ich den Stempel im Pass. Aber in Akita ist auf der Einwanderungsbehörde wahrscheinlich nicht mal annähernd die Routine so eingeübt, wie in Tokyo. Der Mann am Schalter dort konnte sogar deutsch, der fand das ganz hip mit mir zu sprechen und hat mir deswegen auch ganz nett geholfen. Inaka ist der Großstadt eben manchmal doch vorzuziehen!