Mittwoch, 30. November 2011

Weihnachtsstimmung


Morgen beginnt die Weihnachtszeit und pünktlich ist auch das zweite Paket von meinen Eltern eingetroffen, inklusive extra verpackter Weihnachtsdeko von meinen Großeltern. Ich werde mir das Paket einteilen und jeden Tag eins öffnen, weil das Auspacken irgendwie schon eine Freude in sich ist. Heute ist also das erste Paket dran, ein riesiger Strohstern, ein kleiner Schneemann, belgische Pralinen und eine Karte, die sowieso das Beste am Paket ist. Und das alles nur mit einem Satz. Nach einem netten Kartengruß, von dem nie ganz klar ist, wer von beiden die Karte geschrieben hat, kommt nämlich noch ein PS. „Außerdem war es sehr schön, am Sonntag mit dir reden zu können (sagt deine Omi)“… Ich weiß nicht, ob Omi den Teil der Karte zu lesen bekommen hat. Auf jeden Fall wieder toller Punkthumor von meinem Opi, der leider bei meinem Skypegespräch überhaupt nicht zu Wort gekommen ist.

Außerdem war heute der Deutschunterricht richtig interessant. Die Professorin hat mir zwei deutsche Bücher zum Lesen mitgegeben, ich durfte Intonations-Lesetraining machen und wurde danach noch zum Essen eingeladen. Also saß ich bis 9 Uhr Abends in der Unikantine und habe mit zwei Japanerinnen aus meinem Kurs und zwei ihrer Freunde herzlich geredet, gelacht und rumgealbert. Wie gut das tat.

Außerdem habe ich gleich jemandem zum Vorstellungsgespräch üben gefunden. Die Firma hat mir nämlich jetzt (nach 5 Monaten des Wartens und Vertröstens) eröffnet, dass die Filiale in Tôkyô ein Vorstellungsgespräch mit mir machen will, um mein Japanisch zu testen, und dieses würde dann über die Dauer und überhaupt die Durchführung des Praktikums entscheiden. Na danke. Ist ja auch kein Problem, mal eben so nach Tôkyô zu düsen, da zu übernachten, und dann wieder nach Hause zu kommen. Was das wieder für Geld kostet. Deswegen habe ich ihnen jetzt erst mal den 27.12 vorgeschlagen. Da wollte ich ja eh nach Tôkyô zur Commiket. Wenn das nicht geht, dann wird es richtig stressig.

Aber wenigstens habe ich jetzt ein paar Japaner, die mir die Vorstellungsgesprächsregeln in Japan erklären wollen und mit mir üben werden. Ob das was hilft, ist natürlich eine ganz andere Frage. Außerdem habe ich nach dem Essen noch Maultaschen und Süßigkeiten aus Tôkyô bekommen und die Aussicht, in nächster Zeit noch öfters etwas mit den Mädels machen zu können. Rundum also, trotz der Hiobsbotschaft von der Firma, ein guter Tag. Besonders das Abendessen und lange Schatzen mit den Mädels hat mir wirklich Kraft gegeben. Ja, ich kann Japanisch. Wenigstens ein bissel ;P

Hier ist übrigens das Video, was ich von meinem Besuch auf dem Eve Campus Fest geschossen habe.

http://www.youtube.com/watch?v=sCrETSCJUng

Samstag, 26. November 2011

Kitanotenmangu und Unifest


Meh, das 3-Monats Tief hat mich voll im Griff und ich glaube kaum, dass sich das in den nächsten Wochen ändern wird. Keine außergewöhnlichen Noten in den Tests, endlose Hausaufgaben, kaum Zeit für andere Dinge und eine komische Erkältung sorgen wahrscheinlich dafür, dass das in nächster Zeit noch so bleiben wird. Es hilft auch nicht viel, wenn man erkennt, dass die meisten Ausländer, mit denen man bisher immer geholfen hat, kein Interesse daran haben, einem zu helfen. Aber genug rumgenölt, deswegen liest keiner hier den Blog.

Vor zwei Tagen sind ein paar Kerle bei uns „eingebrochen“. Ich setze das in Anführungszeichen, weil ich (a): Nichts davon mitbekommen habe, außer das lautes Gegröle und Krawall mich gegen 3 Uhr morgens vom Schlafen abgehalten hat, (b): sie zwar über das massive Eingangstor geklettert sind, aber (c) so lange über die Klingelanlage eine bekannte Zimmernummer angeklingelt haben, bis die Bewohnerin ihnen freiwillig die Tür öffnete. Das Mädel hat uns also eine Horde betrunkener Kerle ins Haus gebracht, die den Eingang verwüstet haben aber zum Glück nicht genug Hirn (Handkoordination) mehr hatten, um den Aufzug zu benutzen. Es war eine vollständige Ausländergruppe, was natürlich Wunder für unsere Reputation im Wohnheim und generell getan hat.

Aber ok.  Am Freitagabend hat mich unsere Hausmutter mit zu einem abendlichen Fest am Kitanotenmangu Schrein genommen. Wir haben Takko Yaki (frische Oktopus Stücke , die ein einem Teigmantel gebraten werden) und allerlei verschiedene Süßigkeiten gegessen. Außerdem konnte man den Schrein und seine Umgebung bei Nacht angestrahlt bewundern. Die Fotos reichen natürlich nicht an die Realität heran, aber es war wirklich eine unglaubliche Stimmung. Außerdem hat mir unsere Hausmutter viel über ihre Kindheit in Kyôto erzählt.

Heute geht es dann für mich trotz starken Kopfschmerzen und Übelkeit zum Unifest, denn dort habe ich mich mit einer guten Freundin aus dem deutschen Koversationskurs verabredet. Doch zunächst muss eine Parkmöglichkeit für mein Fahrrad gefunden werden, da das gesamte Unigelände zur Fahrradfreien Zone erklärt wurde. Sehr verständlich, wie sich später herausstellt. Nun ist so ein Stellplatz normalerweise nicht schwer zu finden. Man stellt sein Fahrrad einfach möglichst dicht zu einer bereits existierenden Gruppe von Fahrrädern, besonders gerne unter ein „Hier keine Fahrräder abstellen“ Schild. Der Vorteil an einem solchen Frevel ist nämlich, dass an diesen Schildern meistens ein Zettel mit dem nächsten „Abschleppdatum“ hängt. Nur an diesen ausgeschilderten Tagen werden die Fahrräder von der Polizei auch wirklich eingesammelt und verschrottet. Ich nähere mich also dem nächsten „Parken verboten“ Schild und beginne nach kurzer Musterung selbigen schön bunt zu Fluchen. Natürlich ist der „Abschlepptag“ für diese Gegend genau heute. Hätte ich mir ja auch denken können. Also geht es auf zu einem der großen Fahrradparkplätze, die normalerweise ziemlich viel Geld kosten. Zu meinem Glück hat die Dôshisha aber die Parkplätze in direkter Nähe während des Festes gemietet und stellt sie kostenlos zur Verfügung. Also habe ich praktisch nur ein Problem: Wie finde ich mein Fahrrad nach ein paar Stunden in diesem vollgestellten Parkplatz nur wieder?

Kaum auf dem Campus angekommen, werde ich mit dem zweiten Problem konfrontiert. Ich habe noch 10 Minuten, um zum Treffpunkt in einem der Gebäude am anderen Ende des Campus zu kommen. Normalerweise mehr als genug Zeit, doch wie die ersten Bilder beweisen, mit diesem Massenandrang fast unmöglich. Das Vorrankommen wird außerdem durch die „Standmitarbeiter“ erschwert.  Das Campusfest wird vollständig von den Studenten organisiert und jeder Kurs/Club/Zirkel/Verein innerhalb der Uni ist mit einem Stand, einem Raum oder Bauchladenhändlern vertreten. Und alle wollen natürlich am meisten Geld machen. Und wer mir noch einmal weismachen will, dass Japaner immer ach so höflich und zurückhaltend sind, den schleppe ich morgen eigenhändig mit durch diesen Trubel.

Denn auch das höflichste „Ikagadeshôka“ verfehlt seine Wirkung, wenn es einem von allen Seiten ins Ohr gebrüllt wird und die „süße“ Maid vom Yakitori-Stand dich am Ärmel packt, während ein Kerl im Ballkleid und High-Heels aber schon deine Hand in Richtung Popcorn zieht und du eigentlich den netten Herrn mit dem scharfen Katana am Gürtel direkt vor dir auch nicht verärgern möchtest. Morgen versuche ich von diesem Wahnsinn ein gutes Video zu kriegen, heute geht es erstmal nur ums Überleben.

Zusammen mit meiner Freundin geht es dann erstmal zu einer Showvorführung im Kendô und der Kaligraphie Ausstellung. Besonders gefallen mir dort das Bild mit den 3 Affen aus Nikko (alles mit dem Pinsel gezeichnet) und einen Schriftzug, auf dem der Verfasser folgendes verewigt hat: „(Man) lerne das Gestern, lebe das Heute und erwarte das Morgen“ . Weiterhin habe ich versucht einige der schönsten Animierdamen/herren von den Ständen zu fotografieren. Für heute halte ich mich noch mit dem Essen zurück, aber das selbstgemachte Popcorn, die „Schwein Suppe“ und Yakiudon sind schon mal wirklich gut. Außerdem beobachten wir die Herren der Schöpfung beim Abwasch (recht so), Wrestling und können außerdem die Schlafräume der Festmitarbeiter finden, die über Nacht hier bleiben müssen. Danach muss ich mich leider schon verabschieden, den mein Kopf dröhnt inzwischen und ich will noch versuchen irgendwo ein Fieberthermometer aufzutreiben.

Morgen geht es dann nochmal auf das Fest, und danach müssen Bücher für unsere Minderheiten in Japan Präsentation/Hausarbeit durchgearbeitet werden. Yay… >.<

Montag, 21. November 2011

Filmdorf


Am Samstag war ich wieder bei meinem Nebenjob. Es hat wie aus Eimern geschüttet, also schien für mich klar, dass wir danach nicht zum Filmdorf fahren würden. Doch ich hatte die Kraft von ningelnden Kindern unterschätzt. Die Unterrichtsstunden gingen besser als gestern, ich habe die Kleine ein Pferd malen lassen und sie durfte die verschiedenen Teile erst ausmalen, wenn sie die Farben aufgeschrieben hatte. Am Ende hatten wir dann ein pinkfarbenes Pferd mit blauem Sattel, schwarzem Schweif, einem Reiter und zwei Vöglen auf dem Rücken. Egal, Hauptsache, wir haben geschrieben. Dann habe ich auch noch mit dem Ausschneiden von Buchstaben angefangen. Ich glaube, dass funktioniert ganz gut.

Das Filmdorf war auch wirklich schön, trotz Regen und allem. Eine tolle Ninja-Show mit Akrobatik, ein Geisterhaus (in das der Ausländer natürlich ganz allein reingehen musste *schauder*) und eine Menge Kulissen aus alten Filmen. Das hat wirklich Spaß gemacht. Außerdem kam am Samstag mein Weihnachtspaket an. Selbstgebackene Kekse und der Wintermantel und eine kleine Pyramide. Was braucht man mehr?

Am Montag habe ich dann mein eigenes Weihnachtspaket zur Post gebracht. 90 Euro für 6 Kilo und das auch noch mit der langsamsten Beförderungsmethode. Was soll das denn?

Außerdem an dieser Stelle noch ein ganz lieber Gruß an Josi, deine Kommentare geben mir immer Kraft. Vielen Dank für deine Unterstützung ^.^ Wenn du irgendwelche Manga oder andere Sachen aus Japan willst, sag mir Bescheid. Ich will dir nächstes Jahr auf jeden Fall was mit nach Hause bringen.

Freitag, 18. November 2011

Ein Kimono, eine Gaijin und soooo viele Kameras


Es ist offiziell. Wenn ich mir noch mal zu viele Sorgen um die Zukunft oder ein bestimmtes Event im Speziellen mache, soll man mich bitte an diesen Tag erinnern. Es ist unglaublich.

Zunächst ist erstmal alles schief gelaufen, was nur schief laufen konnte. Ich wollte mir heute einen Kimono ausleihen und dann zusammen mit einer Freundin gute Fotos machen. Zunächst sagt der Wetterbericht Regen für den späten Nachmittag an, dann liegt besagte Freundin plötzlich mit Fieber im Bett und keiner scheint sonst Zeit zu haben, mir auszuhelfen. Ich bin bedient. Daran kann zunächst auch der *hust* nette Japaner nichts ändern, den ich für meinen Konversationskurs interviewen muss.

Aber es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich gehe alleine und sehe was passiert, oder eben nicht. Nach einigem Hin und Her schieße ich alle Zweifel in den Wind, schwinge mich aufs Rad und strampele zum wiederholten Mal in Richtung Kiyumizudera. Auf dem Weg spiele ich hundert Horrorszenarien durch. Es beginnt zu schütten, sobald ich mit dem Kimono das Haus verlasse. Die Kimono sind zu klein für mich. Die Japaner wollen mir nicht helfen, Photos zu machen. Die Japaner fangen gar an, mich zu beschimpfen, weil ich einen Kimono trage oder lachen über mich. Der letzte Gedanke ist besonders beängstigend und ich spiele kurz mit dem Gedanken, einfach ein Studiophoto machen zu lassen und mich dann sofort wieder umzuziehen. Aber das wäre zu viel Aufwand und Geld für 10 Minuten Kimono tragen. Ob es überhaupt Schuhe in meiner Größe gibt und wie weit werde ich es überhaupt in den traditionellen japanischen Geta schaffen zu watscheln, bevor mir meine Füße abfallen?

All das und noch mehr stelle ich mir vor, als ich einen Schwarzen Kimono auswähle, meine Sachen loswerde, eingeschnürt und schließlich auch frisiert werde. Meine Haarstylistin ist ganz glücklich und erzählt stolz, dass sie bei Schere, Stein, Papier gewonnen hat und jetzt meine Haare frisieren darf. Und wie schön gesund meine Haare doch wären und sucht mir auch noch ein Schmuckteil für die Haare aus, das eigentlich extra kostet. Die Socken und überraschenderweise auch die Geta (japanische Sandalen, wie Flip Flops bloß mit umgedrehtem Absatz) passen wie angegossen. Außerdem bekomme ich eine zum Kimono passende Handtasche für meinen Trip nach draußen.

Jetzt oder nie, denke ich, und stürze mich mutig ins Gedränge den Berg weiter hinauf zum Schrein. Viele Leute starren, einige zeigen mit dem Finger und rufen sich irgendetwas zu, was ich nicht genau verstehe. Zunächst scheint sich meine Angst wirklich zu bewahrheiten. Doch der Kimono ist erstaunlich bequem, die Schrittweite ungewohnt aber irgendwie fühle ich mich entgegen besserem Wissens wirklich Japanisch.

Dann frage ich die ersten Schreinbesucher, ob sie ein Photo für mich machen können. Sie willigen sofort begeistert ein. Ein paar Meter weiter werde ich dann plötzlich von einer Gruppe Schüler eingekreist. Sie wollen ein Photo mit mir machen. Ich denke mir nichts dabei und posiere mit strahlenden Kindern, während meine, ihre und die Kameras von anderen Leuten vor sich hinknipsen. Das scheint den Damm zu brechen und plötzlich bin ich umringt von einer Traube Leute, die mit mir Photos machen wollen. Schön zu sehen an der Bilderserie vor dem Schreineingang. Danach gibt es kein Problem mehr, jemanden für Photos zu finden. Ich kriege Aufnahmen überall und soll meist danach noch mit meinen Photographen posieren. Egal ob Schüler, ältere oder jüngere Japaner oder andere Ausländer, langsam habe ich schon fast Blitze in den Augen.

Aber auch abgesehen von den Photographen, so viele Leute begutachten meinen Kimono und kommen auf mich zu um mir zu sagen, wie gut er mir stehen würde und wie hübsch ich aussehen würde. Das stärkt doch mal das Selbstbewusstsein. Ich habe heute so viele unterschiedliche Menschen kennengelernt und auch noch etwas verstanden: Ausländer werden für Japaner viel ansprechbarer und weniger furchteinflößend im Kimono. Ich wurde jedes Mal auf Japanisch angesprochen, was mir auch noch nie passiert ist.

Den Pokal für die lustigste Reaktion bekommt aber der ältere Herr auf einem der Photos, der mich zunächst nur von hinten gesehen hat und anscheinend für eine Japanerin hielt. Als er dann an mir vorbei ging und mich aus dem Augenwinkel sah, drehte er sich einmal kurz um, ging ein paar Schritte, drehte sich wieder um, ging ein paar Schritte, blieb stehen, drehte sich um und wartete auf mich, um nach einem Photo zu fragen. Ich musste mich zusammenreißen, nicht zu lachen.

Es war eine unglaublich tolle und wohltuende Erfahrung, auch wenn ich nach 4 Stunden im Kimono wirklich mit letzter Kraft zurück zum Geschäft humpelte. Mein Selbstwertgefühl ist temporär irgendwo auf Wolke 7, die Welt ist rosarot und ich bin völlig platt. Aber ich würde alles noch einmal ganz genau so machen.

Mittwoch, 16. November 2011


Brrr, mach doch einer mal die Heizung an! Wie, es gibt keine Heizung? Wollen die uns umbringen? Ja, heute ist es offiziell kalt geworden. 8 Grad und fallend, die Räume sind eisig, weil die Klimaanlagen nicht auf Heizung umgeschaltet werden dürfen und wir schlottern um die Wette. In der Mittagspause radele ich zurück nach Hause und werde  von meiner Hausmutter für nächste Woche zum gemeinsamen Schreinbesuch eingeladen. Anscheinend ein kleines Matsuri, was sie mir zeigen möchte.
In meinen Volontärsstunden werde ich außerdem morgen zum Studententheater eingeladen. Das wird ein Spaß.

Aber das Beste am heutigen Tag war, dass ich Benny heute zum ersten Mal per Skype sehen konnte. Auch wenn die kleine Schlafmütze von dem sprechenden Bildschirm nicht wirklich beeindruckt war, konnte ich um so mehr strahlen und die stolzen Eltern ausfragen. Ihr beide seid wirklich super.

Und das war’s auch schon für heute. Ich mache mir warme Gedanken, trinke einen grünen Tee und setze mich wieder an die Hausaufgaben. >.<

Eine kleine Geschichte von den "verschlossenen" und "distanzierten" Japanern noch zum Schluss.
Gestern Abend habe ich meine gebackenen Brötchen nebst Leberwurstaufschnitt mit Anja geteilt (man ist ja sozial), als eine Japanerin von meinem Flur, die ich bisher noch nicht getroffen habe, in die Küche schneit. Ich lade sie ein, auch mal zu probierne und schmiere ihr gerade eine Leberwurstbemme, als sie auf mich zu kommt und mir ohne jeder Vorwahrung anfängt mit den Fingern durch die Haare zu fahren. Ich stehe völlig versteinert vor dem Tisch, während sie laut quietscht, meine Haare verwüstet und dann auch noch damit anfängt, einzelne Strähnen hochzuheben und deren Fallen zu beobachten. Natürlich immer begleitet von weiteren Quietschgeräuschen. Anja steht nicht gerade hilfreich daneben und lacht sich scheckig. 

Und was haben wir heute gelernt? Japaner sind höflich und distanziert und beachten deinen Privatsphäre, außer wenn du blond bist und sie unbedingt mal blonde Haare anfassen wollen. Dann gibt es keine Warnung, kein Halten und keine Option mehr als es einfach über sich ergehen zu lassen.

Dienstag, 15. November 2011

Examen


Die letzten Tage waren echt stressig. Aber wenigstens sind Midterms jetzt erstmal vorbei, leider heißt das aber auch, dass meine Zeit an der Dôshisha nur noch halb so lang ist wie am Anfang. Das ist ein fürchterlicher Gedanke. Aber irgendwie muss das ja alles werden.

Das letzte Examen hatte für mich auch noch einen erhöhten Schwierigkeitsgrad, der nichts, aber rein gar nichts mit der japanischen Sprache zu tun hat. Ich arbeite mich langsam aber stetig durch Seite nach Seite mit Leseaufgaben, Textbausteinen und Kreuzeltests, bis ich endlich auf der letzten Seite ankommen. Aber was ist das? Eine Tabelle, und ZAHLEN? Mir schwant schon gausiges. 

Langsam arbeite ich mich durch den angegeben Text. Wie viele Stunden Schlaf hat ein Mensch in Japan im Vergleich zu Europa und Amerika. Schlaf hätte ich ja auch gerne, aber das ist nicht der Punkt. Der Text ist nämlich wie folgt auf gebaut: Japanische Männer schlafen 54 Minuten länger als japanische Frauen. Europäische Frauen schlafen 43 Minuten weniger als amerikanische Männer. ... und und Amerikanische Frauen schlafen im Schnitt 8 Stunden 23 Minuten. Bitte füllen sie die Tabelle mit den durchschnittlichen Schlafzeiten aus! ... 

Wollt ihr mich umbringen? Wenn ich gut in Mathe wäre, hätte ich nicht Japanologie studiert. ... Gut, vielleicht schon, aber das ist nicht der Punkt! Ich soll rechnen? Wirklich? Oh nein, wie peinlich wird das nur, wenn ich zwar den Text richtig verstanden habe, mir aber dann irgendeinen Stuss zusammenaddiere oder subtraiere. Verstohlen blicke ich mich um und entdecke, dass einige meiner Klassenkammeraden ebenfalls recht blass aussehen und ungläubig auf das unschuldige letzte Blatt starren. Dann bricht Hektik aus. Es gilt jetzt extrem wichtige Fragen zu klären, wie: Kann mein elektronisches Wörterbuch auch Rechnen, gibt es extra Zettel für die notwenige, schriftliche Nebenrechnung und wie wird noch mal schriftlich dividiert. Muss man überhaupt dividieren und wie viele Minuten hat noch einmal eine Stunde? Im nachhinein können wir alle nur über unsere riesige Panik lachen, aber ich kann bezeugen, hätte man mir in dem Moment versichert, ich müsse schriftlich Dividieren, ich hätte es zumindest versucht. 

Viel zu erzählen gibt es sonst wegen den Examen nicht. 

Außer eins:

Es gibt ja immer wieder Menschen, die behaupten, den japanischen Kindern würde das Manga lesen in die Wiege gelegt und sie lernen die Leserichtung und Zeicheninterpretation einfach mit der Muttermilch. Dem ist aber garnicht so! Beweise? Auch mit denen kann ich dienen.

In Japan gibt es wöchentliche Magazine, in ziemlich hoher Auflage wohl bemerkt, die sich an 0 bis 2 Jährige richten. Ja, ihr habt richtig gehört, 0 bis 2 jährige in Japan haben ihre eigene Auswahl an wöchentlichen Magazinen. Was beinhalten diese Prachtstücke, die von verantwortungsbewussten Eltern gekauft und an das Kinderbettchen gebracht werden? Oh, die üblichen Sachen: Ein paar japanische Charaktere, Farbspiele, erste Manga und natürlich „Bob der Baumeister“. Ich musste mich schwer zusammenreißen im Kurs, um an dieser Stelle nicht laut loszulachen. Bob der Baumeister. Für japanische Babys. Ok.

Nahtlos geht das natürlich über in Magazine für 2 bis 4 Jährige, die entweder die schönen beinhaltenden Manga von Pokemon bis Conan mit ihren Eltern lesen oder selbst die ersten Zeichen verstehen lernen. Und in diesen Geschichten sind die verschiedenen Panels mit Nummern gekennzeichnet, sodass die Kinder sich die Reihenfolge und Leserichtung einprägen können. Da sieht man mal wieder: Früh übt sich, wer ein Otaku werden will.

Außerdem sind die Vorbereitungen für das Unifest in vollem Gange. Fast jede Mittagspause sieht man irgendwo Gruppen von Studenten Blumenkränze binden, Schilder malen oder Skulpturen formen. Das verspricht eine tolle Veranstaltung zu werden.