Montag, 31. Oktober 2011

Wäre mein Leben ein Videospiel, würde man das wohl ein Level up nennen!

Heute ist der Tag aller Tage. Zum Mittag soll ich mich mit meiner neuen potentiellen Arbeitsgeberin zum Mittessen treffen. Ich wetze an meinem erstaunten Lehrer vorbei nach draußen, um auf jeden Fall pünktlich am Haupttor zu sein. Dort bekomme ich dann auch noch mit, dass der Kaiserpalast für diese Woche dem gemeinen Volk zugängig gemacht wird. Gut, dass mir das mal jemand sagt! Aber wirklich konzentrieren, kann ich mich auf das Gespräch nicht. 

Dann kommt endlich eine resolute, jung aussehende Frau, die mich gleich ganz freundlich (und ich meine hier nicht höflichkeitsfreundlich) anlächelt. Sie entschuldigt sich für die Verspätung und meint, wir könnten doch besser außerhalb der Cafeteria Essen gehen. Als wir ein winziges, traditionelles Restaurant betreten und ich die kleine (aber teure) Speisekarte sehe, rechne ich in Gedanken panisch mein mitgenommenes Geld zusammen. Nur gut, dass ich mir gestern keinen neuen Toast gekauft habe! Ich bestelle das günstigste auf der Karte (ein Menü aus Tunfischsashimi, Misosuppe, Reis, gedünstetem Gemüse und einem Dessert >.<) und wir kommen ins Gespräch.

 Gegenüber von uns (es gibt nur einen großen Tisch für alle Gäste) sitzen drei ältere Damen im Kimono. Zu gerne hätte ich ein Photo gemacht, aber erstmal sind ja andere Dinge wichtiger. Sie erzählt mir von ihrer Forschung in Bonn, und das ihre Kinder auch in deutsche Schulen gegangen sind, aber jetzt sehr schnell Deutsch vergessen. Wir kommen überein, dass ich sie jeden zweiten Samstag und in den ungeraden Wochen an einem anderen Wochentag unterrichte, für 45 Minuten jedes der beiden Mädchen einzeln.

Dann fragt sie mich, wie viel Geld ich denn verlangen würde. Das ist eine sehr unangenehme Frage und ich hatte solche Angst, irgendeine viel zu hohe Summe zu verlangen. Leider habe ich ja keine Ahnung, wie viel man für Unterrichtsstunden hier verlangt. Und außerdem bin ich ja kein ausgebildeter Lehrer. Für diese 90 Minuten bekomme ich jetzt 3000 Yen. Das kann sich, meiner Meinung nach, sehen lassen. Außerdem möchte die Mutter selbst mit mir Tandem machen und hat außerdem einen Master Studenten, der nächstes Jahr in die Schweiz geht, und auch jemanden sucht. Dazu kommt, dass ich die Kinder bei ihr zuhause unterrichten werde, ihr Mann über Yôkai (japanische Geister) forscht und sie mit mir zur Teezeremonie gehen möchte. Wir haben uns wirklich sehr gut unterhalten und ich habe das Gefühl, dass ich mich mit der Familie sehr gut verstehen werde. Das Mittagessen hat sie dann auch noch bezahlt, und ich war rundum glücklich.

Am Abend wurde unsere normale Manga- und Anime Vorlesung in das Mangamuseum von Kyôto verlegt. Und das ist unglaublich dort! Sie haben die größte Mangabibliothek auf der gesamten WELT! Und wir mussten keinen Eintritt bezahlen. Leider hatten wir nach der schnellen Führung durch unseren Professor nur noch wenige Minuten selbst Zeit zum Erkunden, bevor das Museum schloss. Aber ich schwöre, wenn sie es erlauben würden, ich könnte Wochen in diesen gesegneten Hallen zubringen… ach, was sag ich: MONATE!

Samstag, 29. Oktober 2011

Partywochenende


Uff, das waren zwei leicht anstrengende Tage. Jetzt bin ich um etliche Kontakte, Katzenohren und eine Erkältung reicher. Aber im Endeffekt hat es sich gelohnt. Als ich gerade am Freitag zur verfrühten Halloween Party aufbrechen will, klingelt es an meiner Tür. Fumi sagt, wir hätten Wohnheimsitzung und bringt mich mit in den Gemeinschaftsraum. Dort sind ziemlich viele Japaner und ein paar Ausländer versammelt, die nicht wie ich den Aushang einfach ignoriert haben. Es wird einiges besprochen, ich lerne die Japaner auf meinem Flur etwas näher kennen und dann breche ich mit Fumi zusammen in Richtung Kamugawa auf. Sie zeigt mir einen Schleichweg nach Shijô, auf dem man nicht ständig Angst haben muss, von entgegenkommenden Fahrradfahren und den Massen auf dem Fußweg über den Haufen gerannt zu werden.

Wir halten kurz vor dem Treffpunkt an einem Kombini, und als ich Fumi frage, was sie denn jetzt einkaufen würde, bekomme ich nur ein trockenes „Sake“ zur Antwort. Na das kann ja lustig werden. Mit irgendeinem gefährlich aussehenden Mixgetränk in der Hand kommen wir bei den bereits versammelten Feierwütigen an. Der Kamugawa (Fluss) ist anscheinend Abends ein Treffpunkt für junge Leute ohne das nötige Kleingeld für Karaoke oder Clubs. Unzählige Gruppen stehen, hocken oder Sitzen entlang des Flussufers, zumeist mit Alkohol und Essen aus dem Konbini versorgt.

Unsere Gruppe ist schon gut dabei, und eine halbe Stunde später sind die ersten Japaner bereits mehr als angeheitert. Das gleiche gilt aber auch für einige Ausländer, die anscheinend ihre Alkoholresistenz gegenüber unseren einheimischen Freunden demonstrieren wollten und dabei die Mixgetränke dann doch unterschätzt haben. Außerdem ist mein bester kubanischer Freund mit seinem Rum wieder dabei und teilt kräftig Shots aus. Einige haben sich sogar kostümiert und trinken gegen die klirrende Kälte an.

Wer hätte gedacht, dass es Ende Oktober, in Kyôto, an einem Fluss ohne strahlende Gebäude drum rum, nachts kalt werden könnte. Jeder möge daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Ich laufe von Gruppe zu Gruppe, nippe nebenbei an meinem scheußlich schmeckenden Mixgetränk und mache Photos. Leider kann der Nachtmodus nur so lange funktionieren, wie Restlicht wirklich vorhanden ist. Danach habe ich versucht mit Blitz weiter zu machen.

Am Samstag mache ich mich dann auf den Weg zu Sarahs Geburtstag. Ich schenke ihr meine Prinzenrolle, und bereue es auch nur ganz wenig. Zu viel Schokolade ist schließlich garnicht gut.. Wir gehen folgerichtig zum Tabehôdai, von dem ich vor Wochen schon einmal berichtet habe. Leider wird die Erfahrung dieses Mal etwas getrübt. Drei Personen sind einfach nicht aufgetaucht, obwohl klar war, dass Sarah dann Strafe für die Reservierung bezahlen muss. Außerdem scheinen die Kellner uns als Gruppe von Ausländern mit weniger Japanern für dumm verkaufen zu wollen. Wir warten fast eine Stunde der maximalen 2,5 Stunden auf das erste Essen, und die meisten Sachen kommen in der letzten halben Stunde, einige sogar nachdem wir bezahlt haben und gehen müssen. Eine Entschuldigung gibt es auch nicht.

Danach treffen wir uns mit ein paar weiteren Leuten und fallen in eine Karaokebar ein. Da gibt es ein All you can eat Eisbuffet und kostenlose Getränke. Außerdem bekommen wir einen riesigen Raum mit Lichtshow und Bühne und … hach das ist ein toller Raum. Leider wird auch diese Erfahrung getrübt, weil ein Mädel fast 10 Lieder hintereinander eingibt und dann auch noch darauf besteht, sie alle zu singen. Ich verabschiede mich irgendwann gegen eins während die anderen immer noch darauf warten, dass sie vielleicht auch mal singen können.

Freitag, 28. Oktober 2011

WAH!

Manchmal möchte ich gerne hier auf die Straße gehen, den nächsten Schüler, der mir in seiner Schuluniform entgegenwatschelt anhalten und ihn fragen: Warum lässt du dir das gefallen? Warum vergeuldest du deine Intelligenz, sinnlose Dinge auswendig zu lernen, wenn du einzelnen Bausteine verstehen könntest um diese dann wirklich irgendwann zu BENUTZEN? Wahrscheinlich würde irgendein besorgter Japaner die Polizei rufen und mich aus dem Land schmeißen, aber irgendwann wird das hier wirklich lächerlich! Ich hatte heute meinen riesig super wichtigen Kanjitest. 

Und ich habe dafür gelernt. Mit Schweiß und Tränen und stundenlangem vor mich hinstarren bis besorgte Japaner mir eine Flasche Tee angeboten haben! Und was hat es mir genutzt? GARNICHTS! REIN GARNICHTS! Und das ist unsagbar frustrierend. Was ist passiert?

Wir haben in den letzten Wochen Kanjiblätter bekommen auf denen die zu lernenden Schriftzeichen, plus Zusammensetzungen mit anderen Schriftzeichen und Beispielsätze standen. Diese Beispielsätze waren zumeist völlig sinnlos und mit so vielen schwierigen Kanji gespickt, dass ich erstmal 10 Minuten auf mein elektrisches Wörterbuch einhämmern musste, bevor ich überhaupt anfangen konnte die richtigen Kanji in das richtige Feld einzutragen. Aber das waren schließlich Hausaufgabensätze, die jede Stunde vom Lehrer eingesammelt und korrigiert wurden. In dem Test werden sie uns doch sicher einfacherer, allgemeinverständliche Sätze geben, damit wir zeigen können, dass wir die zu lernenden Schriftzeichen in ihrer Bedeutung und Benutzung wirklich verstanden haben. 

Ja, ein Mädchen wird doch wohl noch träumen dürfen. NIX WAR! Exakt die Beispielsätze von den Kanjiseiten, von denen ich mich zwar an einige noch erinnern konnte, aber vor den meisten wie schon bei der Hausaufgabe nur Toastbrot ohne Wörterbuch verstanden habe. Ich hatte die meisten Kanji von der Liste drauf, leider nicht die 500 weiteren Kanji, die in den netten Beispielsätzen verwendet wurden. Was für ein großer Unfug! Was heißt das für mich? Für den nächsten Test werde ich stur die Beispielsätze von den Kanjiblättern auswendig lernen, und mich einen Dreck um die eigentlichen Schriftzeichen kümmern, die ja vielleicht nochmal nützlich wären. Sich darüber aufzuregen ist zwar manchmal sehr heilsam, juckt aber im Endeffekt weder meine Note noch meine Lehrer. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als in meinen nicht vorhandenen Bart zu grummeln und das Ganze über mich ergehen zu lassen.

Nach dem versauten Test bin ich zum Immigrationoffice geradelt und habe mir dort meinen Stempel für den Reisepass geholt. Jetzt darf ich so viel Geld verdienen, wie ich will. Fehlt nur noch jemand, der mir das Geld auch gibt. Aber wie schwer kann das schon sein, richtig? Danach bin ich auch noch in die Buchhandlung gefahren und habe ein paar Fotos für Josi gemacht. Ich war im Junkudo, eine der größten Buchläden in Japan. Eine Bestseller Wand habe ich nicht finden können, generell sind die Bücherreihen sehr viel enger und höher gebaut als in Deutschland. Da kann man ja meist ziemlich gut den Laden überschauen und hat auch freie Flächen zur Orientierung, während hier 4 Etagen vollgestellt sind bis zur Decke. Die ersten Bilder sind (natürlich) aus der Mangaabteilung. 

Ich habe dort fast 10 Manga mit mir herumgeschleppt, bis mir eingefallen ist, dass ich kein Geld habe, und sie wieder hinstellen musste. Oh, die Scham. Dafür sind an den Stirnseiten der Regale meist Poster oder Hinweise angebracht, welche Neuerscheinungen oder besonderen Manga in diesem Regal sind. Bei neuen Serien hängt außerdem ein kleines Infoheft an der Regalwand, in denen die ersten Seiten des Manga angeschaut werden können. Alle Manga sind nämlich inzwischen in Folie eingeschweißt und nicht mehr so einfach zu öffnen wie zuvor.

Auf den anderen Stockwerken war es ähnlich. Hohe Regalreihen, nur gab es dort meistens eine Sektion für Neuerscheinungen. Ich hab auf jeder Etage ein paar Bilder von gemacht. Hoffe, sie helfen dir weiter. Außerdem habe ich dann doch noch etwas gekauft. Ein Magazin für die neusten modernen Kimonotrends. …. … Es war pink und es hat geglitzert und soooo viele hübsche Kimono drin gehabt und… ich hatte keinen besonders guten Tag. So, genug gerechtfertigt. Heute Abend geht es an den Sanjofluss um etwas verfrüht Halloween zu feiern und morgen Abend ist Sarahs Geburtstagsparty. Und am Montag ist ein weiterer großer Test, wer hätte das gedacht >.<  

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Körper und Geist und Kanji


Juhuuu, meine potentielle Arbeitgeberin hat mir zurückgeschrieben. Chinatsu und Maya heißen ihre Töchter und ich soll mit ihr nächste Woche einmal zu Mittag essen, um Details zu besprechen. Anscheinend werde ich die Kinder einmal pro Woche zuhause unterrichten.

 Heute ist außerdem wieder Volontärzeit in der Germanistik. Nein, sind die goldig. Ich versuche ja wirklich, Japaner ernst zu nehmen und nicht über jedes kleine Bisschen zu lächeln, aber dann sollen sie bitte keine Rollenspiele machen.

 Ein unglaublich schüchternes Mädchen, zuckersüß und zurückhaltend, soll sich plötzlich frech benehmen. Was macht sie? An der betreffenden Stelle schaut sie kurz von links nach rechts, knufft ihren Partner in die Seite und schaut dann ertappt zu Boden. Sooooo süß!

Und Ayako hat mir ihren Manga gezeigt, den sie für das Unifest zeichnet. Wenn ich so zeichnen könnte… Nur die Story wollte sie mir noch nicht verraten. Geheim und so. In der zweiten Stunde hatte ich dann wieder unser aller Lieblingsphilosphen Otsuki, der ebenfalls einen Teil des Rollenspiels gestalten sollte. Ich bin ja fast nicht mehr geworden.

Er hat psychologische Zwänge erläutert und über das Gleichgewicht zwischen Körper und Geist philosophiert. Alles in astreinem Deutsch. Ich glaube zwar nicht, dass irgendjemand außer der Professorin und mir das verstanden hat, aber toll war es trotzdem. Vielleicht sollte ich ihm mal was von Nietzsche besorgen. Das ist schließlich immer mein Lieblingsphilosoph gewesen. 

Morgen und übermorgen habe ich große Prüfungen. Hoffen wir mal, dass alles glatt geht.

Montag, 24. Oktober 2011

Montags könnt ich....


Puhu Montage sind dooooooooof. Heute morgen ist mein Toast schimmlig geworden, sodass ich ohne Frühstück in die Uni bin. Zum Glück habe ich opferbereite Kommilitonen, die mir ein paar Kekse spenden.

Die zweite Stunde fällt aus, also rauf in den fünften Stock, um meine Kurse abzuwählen. Das Zeitfenster dafür beginnt heute und endet morgen. In einer spontanen Eingebung von „ich will meine Tage hier nicht nur vor meinem Schreibtisch mit lernen verbringen sondern wirklich Dinge tun, die mich interessieren“ wähle ich drei Kurse ab und fühle mich gleich viel besser.

Danach wird die Bibliothek nach Büchern für unseren Vortrag zu brasilianischen Einwanderern in Japan durchforstet. Sogar recht erfolgreich. Außerdem werden die letzten Yen für die Krankenversicherung zusammengekratzt. Die Schweine! Zuerst groß erzählen, dass wir nur 7000 Yen bezahlen müssen, und dann krieg ich doch ne Rechnung von 10.400 Yen ins Haus. Alles Lügner!

Und eine weitere Sache bekomme ich raus, als wir gerade im Kurs für Anime- und Manga Geschichte sitzen. Die Uni nimmt Geld für die Registrierung als Arbeitender im Visa und behält den Reisepass für 3 Wochen ein. Wenn man aber direkt zum Amt geht, machen die in 10 Minuten kostenlos einen Stempel in den Ausweis und man ist frei so viel Geld zu verdienen, wie man lustig ist. Nur die Arbeitsstunden pro Woche sind auf 24 begrenzt. Das werde ich dann morgen gleich in Angriff nehmen.

Was haben wir heute gelernt? Glaub nicht alles, was dir in der Uni erzählt wird. Und lasse dich nicht mit Arbeit zudecken, nach der später kein Hahn mehr kräht!

Sonntag, 23. Oktober 2011

Jidai Matsuri


Kyôtos Matsuri sind nicht gerade lebhaft. Während in anderen Teilen Japans gerne mal selbst gezimmerte Kastenwägen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Straßen geschleift werden oder bunte Stände allerlei Spaß und Abwechslung bieten, geht es in Kyôto meist etwas gesitteter und ruhiger zu.

Nichts desto trotz kann ich das Jidai Matsuri nur jedem empfehlen, dem es nichts ausmacht sich entweder früh einen Platz ganz vorn mit Decke zu reservieren oder mehr als zwei Stunden am Stück auf einem Fleck stehen kann. Ich gehöre erstaunlicherweise zur zweiten Kategorie. Um Punkt 12 Uhr soll die Parade am Kaiserpalast starten, und wir sind bereits etwas spät dran. Deswegen kann ich nur im Vorbeigehen ein paar Photos von den wartenden Parademitgliedern schießen, dafür aber zumindest eins vor dem Toilettenhäuschen, wo in Reih und Glied ein Samurai, ein Meiji Verwalter und ein zeitloser Priester anstehen. Jahrhunderte getrennt und doch so nah.

Wir finden dann entlang des Absperrbandes auch einen guten Platz in zweiter Reihe, direkt gegenüber vom Presseblock mit den Profifotographen auf ihren Leitern. Ich frage mich, ob die einfach alle angekommen sind, einer hat eine Leiter ausgepackt, und dann haben alle hinter ihm noch größere Leitern herangeschleppt. Jedenfalls sehen sie alle sehr goldig aus mit ihren Riesenobjektiven. Bis die Parade anfängt können wir außerdem zwei Polizeipferde beobachten, deren Reiterinnen sich selbst, die Pferde und das Publikum mit Dressurfiguren bei Laune halten. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich gerade in Japan plötzlich Gespräche über Wolten, Zirkel und „Wechsel durch die ganze Bahn“ führen würde. Und dann geht es endlich los.

Die Jidai Matsuri Parade ist genau das: Eine Parade der verschiedenen Kleidungsstile aus den japanischen Zeitaltern von Edo bis Nara. Zunächst geht es mit ein paar recht neuzeitlichen Kostümen los und es wird bald klar, dass die eingesetzten Pferde nicht wirklich paradeerfahren sind. Das gleiche gilt aber auch umgekehrt für Reiter und Pferdeführer. So müssen manche Pferde bei Stillstand der Parade ständig im Kreis geführt werden, während sich der Reiter recht ungraziös am Sattel festklammert. Ein anderes Pferd, eigentlich zum Ziehen der Kutsche verpflichtet, streikt einfach komplett. Da kann der Pferdeführer noch so sehr ziehen, die Kutsche nebst Pferd bewegt sich keinen Millimeter.

Verdenken kann ich es dem Tier nicht. Der gesamte Park um den Kaiserpalast ist seit einiger Zeit mit Kieswegen versehen wurden, in deren Schotter die Wagenräder noch zusätzlich steckenbleiben. Nicht zu vergessen, dass diese Kutschen mit mindestens 4 Insassen in mehreren dicken Stofflagen für ein einziges Pferd  eigentlich zu schwer sind. Deswegen sehen wir auch in späteren Paradeteilen dann plötzlich Pferde ohne Reiter, die ihren Streik anscheinend erfolgreicher ausgeführt haben als das eben genannte Kutschpferd. Falls sich jemand fragt, wie viele Japaner es braucht, eine festgefahrene Kutsche nebst störrischen Pferd anzuschieben: 1,2,3,4 … 5 Japaner und einen Ausländer, der laut glucksend Photos macht, obwohl die Parade weitergeht.

Die nachfolgenden Kostüme sind allesamt farbenfroh und sehr detailliert. Besonders die Kinder und Frauen sehen aus wie gemalt. Das kann aber auch daran liegen, dass die meisten Männer ihren … sagen wir mal Zenit… schon überschritten haben und die weiten Kostüme mehr als genug ausfüllen.

Im Grunde ist die Parade ohne Musik, doch es gibt einige Gruppen, die Kunststücke vorführen oder auf traditionellen Instrumenten spielen. Eines der Lieder war anscheinend so ein Ohrwurm, dass der kleine japanische Junge es neben mir für die nächsten zwei Stunden mal mehr, mal weniger melodisch ununterbrochen vor sich hinsummt. Das ist ja noch ziemlich süß und kann auch schnell vergeben werden.

Eine andere Sache hat mich aber fast zur Verzweiflung gebracht. Die anderen Deutschen, mit der ich zur Parade gekommen sind, haben fast über den gesamten Zeitraum ihre Klappe nicht halten können und sich lauthals auf Deutsch über Gott und alle Welt unterhalten. ARGH! Ich bin ein sehr toleranter Mensch, aber wenn man auf einem traditionellen japanischen Matsuri, umgeben von Japanern mit ihren Videokameras, die auch schon anfangen uns böse Blicke zuzuwerfen, sich über irgendwelche deutschen Katzen, süße Pferdchen und sonstwas unterhalten muss, werde ich aggressiv.

Deswegen sind es leider auch nicht mehr Videos, weil ich die deutschen Kommentare im Hintergrund nicht ständig mit drauf haben wollte. Naja, am Ende habe ich 226 Photos geschossen und musste mich schon zügeln, weil nach der Hälfte der Parade bereits mein Speicherchip voll war und aussortiert werden musste. Außerdem sind 3 Videos entstanden. Wer mal Zeit und Muße hat, kann sich die Photos ja mal alle antun. Ich weiß nicht mal, ob das für Nicht-Japanologen wirklich so interessant ist, weil die Kostüme teilweise nur sehr subtile Unterschiede haben, die sie in das eine oder andere Zeitalter einordnen. Die Videos gibt es auch als Link auf der Photo-Seite. Ich kann die Bilder hier schlecht auf dem kleinen Bildschirm bearbeiten, deswegen werden einige Bilder noch den Ausschnitt vermissen. Wie gesagt, ihr wurdet gewarnt. Anschauen und Langweilen auf eigene Gefahr.  

PS Da Pixum in letzter Zeit so lange mit dem Hochladen von Bildern braucht, versuche ich es jetzt mal mit einem anderen Service. Sagt mal, ob der für euch zum Anschauen auch in Ordnung ist.

Samstag, 22. Oktober 2011

Apfelmuß


Ich bin gegen Ende des Monats etwas …. Abgebrannt. Gerade, weil sich Freunde überlegt haben, genau zum Ende des Monats Geburtstag zu haben und jetzt auch noch die Krankenversicherung fällig wird. Außerdem flattert vor Ende des Monats auch noch die Stromrechnung ins Haus. Und wohin schickt mich die liebe Josi dann, mit kaum mehr als ein paar Yen in der Tasche? In eine Buchhandlung natürlich. Ausgerechnet mich, die gerne 100 Euro monatlich nur für Manga ausgeben würde, ganz zu schweigen von den ganzen Lernbüchern und Mythenbänden über Kyôto. Und Holzschnittsammlungen…. Ich schweife schon wieder ab. Heute bin ich noch nicht in die Buchhandlung verschwunden, aber irgendwann nächste Woche werde ich das machen. Was tut man nicht alles *grummel* ;)

Heute soll eigentlich ein Matsuri stattfinden, bei dem Japaner mit Kleidung aus allerlei Zeitaltern in Form einer Parade durch die Stadt ziehen. Und da der ganze Spaß direkt vor meinem Wohnheim starten soll, lasse ich mir das natürlich nicht entgehen. Leider wird die Parade aufgrund akuter Regengefahr auf morgen verschoben. Dem Wetterbericht nach ist das die Wahl zwischen Pest und Cholera, aber die Japaner wissen schon, was sie tun. Mit Sarah wandere ich deswegen durch den Park rund um den Kaiserpalast und wir finden sogar noch einen kleinen Schrein, der wunderschöne Mamori verkauft. Zurück im Wohnheim kochen wir dann Katoffelbrei, japanisches Gemüse und Gyôza. Als Nachtisch gibt es Apfelmuß, der dann plötzlich durch alle anwesenden Deutschen auf dem Stockwerk geteilt werden muss. Es hat etwas urkomisches, wenn jederNeuannkömmling in der Küche sofort auf den Tetrapack zustürmt und fast exakt das Gleiche sagt:

„Apfelmuß! Der von Aldi! Der Leckere… könnte ich nur ein ganz kleines bisschen….?“ Soviel zu meinem Plan, die erste Packung Apfelmuß über das ganze Wochenende zu strecken. Aber dafür wurden viele Seelen glücklich gemacht und ich hatte auch eine Menge Spaß. Meine Laune würde schließlich vor die Hunde gehen, wenn ich mich nicht um Gott und die Welt kümmern dürfte.

Den Abend habe ich jetzt mit zwei japanischen Filmen verbracht, und nebenbei 90 Kanjikarten geschrieben. Wer soll denn diese ganzen Komposita bis Freitag lernen??? >.< Ich hab doch auch noch ein Leben…. Oder?