Wahrscheinlich schon, aber leider kann ich mich im Moment nur an Bruchstücke erinnern. Zuerst wird die Balkontür für Frischluft aufgerissen, Emily zum aufstehen gezwungen und eine Papiertüte gesucht. Mit der als Atemkontrolle ist sie nach 5 Minuten erstmal wieder ansprechbar. Doch ihre Erklärungen tragen nicht unbedingt zur Entspannung der Lage bei. Anscheinend schlägt ihr Herz viel zu schnell, Füße und Finger kribbeln und selbst bei Kopfbewegungen wird ihr schwarz vor Augen. Wir suchen gemeinsam ihre vorrübergehende Krankenkarte, einen Pullover und das Handy zusammen, machen noch einen kurzen Zwischenstopp in meinem Zimmer und sind wenige Minuten später auf dem Weg ins Krankenhaus.
Ich habe zwar ziemlich Angst, dass sie mir auf dem Weg zusammenklappt, aber die Frischluft scheint ihr gut zu tun und unser Fußmarsch dauert nur wenige Minuten. Nur gut, dass ich auf meiner letzten Fahrradtour an dem Krankenhaus vorbeigefahren bin und mir noch gedacht hatte, was für ein hässlicher Klotz das nur sei. Zum Glück geraten wir am Eingang sofort an eine Schwester auf dem Nachhauseweg, die uns wenigstens noch den Weg zur Notaufnahme zeigt.
Warum baut man eine Notaufnahme verwinkelt über 5 Gänge weg vom Haupteingang? Was soll das bitte? In der Notaufnahme kämpfe ich mich durch ewiglange Papierberge, während Emily zum Glück von einer weiteren Schwester wenigstens zu einer Liege gebracht wird. Leider passiert danach für knapp 4 Stunden fast garnichts mehr.
Die Notaufnahme ist hoffnungslos überfüllt, großer Unfall und Traumapatienten, nur 2 Ärzte haben Dienst und sonst sind nur Medizinstudenten anwesend. Emily geht es immer schlechter, doch ich versuche sie so gut es geht zu beruhigen. Zunächst versuche ich eine Schwester davon zu überzeugen, ihr doch Sauerstoff zu geben. Es kommt nach einer Messung heraus, dass sie aber viel zu viel Sauerstoff im Blut hat und deswegen das nicht in Frage kommt. Ich versuche Emily so gut es geht abzulenken und gleichzeitig immer wieder mal eine Schwester anzusprechen. Schließlich kriegen wir die erste Ärzten, eine Studentin im 3ten Praxisjahr.
Sie schreibt und schreibt, Emily versucht zwischen ihrer Tüte englisch zu reden, was ich dann so gut wie möglich ins Japanische übersetze und vice versa. Es kommt raus, gestern hatte sie bereits eine Attacke, die nach ungefähr einer halben Stunde vorbei war. Heute hält sie bereits mehrere Stunden an, wird besser, nur um dann wieder schlechter zu werden. So verbringen wir die Nacht mit EKGs, Blutdruckmessungen, Sauerstoffmessungen und ich zwinge mich, wach zu bleiben.
Schließlich entscheiden sich die Ärztin, ihre zwei Ärzte in der Ausbildung und ein Arzt ins Ausbildung, der aber nur über den Vorhang zuschauen darf, sie für 20 Minuten an den Tropf zu hängen, und dann mit mir nach hause zu schicken. Ich frage nach, ob sie diese Infusion müde machen wird, was die Ärztin bejaht. Mental stelle ich mich bereits darauf ein, dass Emily mir irgendwo mitten auf der Straße einschläft. Problematisch wird es dann noch, als Emily versteht, dass so eine Infusion nicht ohne Zugang gelegt werden kann. Sie hat doch aber Angst vor Spritzen.
Ich bleibe hart und gebe ihr meine Hand zum drücken, während die Ärzte in Ausbildung endlich (leider erst beim dritten Anlauf) eine Vene treffen. Die Abdrücke von Fingern auf meiner Hand kann ich noch Stunden später vorzeigen. Fast werden wir dann noch aufgehalten, als klar wird, dass das Krankenhaus das Geld jetzt haben will, ich aber nicht so viel Bargeld dabei habe. Doch ich unterschreibe einen Schuldschein und verspreche, das Geld gleich morgen vorbeizubringen. Wir sind gegen 4 Uhr morgens wieder im Wohnheim.
Ich bringe Emily zurück in ihr Zimmer, schreibe ihrer Mutter und Freund eine E-Mail und hoffe das beste. Was bleibt für ein Eindruck von japanischen Krankenhäusern? Die Schwestern sind nett, die Brechschalen sind rosa, manche Ärzte haben Humor (ein Winnie the Puh Pflaster auf dem Infusionszugang) und im Endeffekt haben wir für Standby Hilfe bezahlt, die dann nicht gebraucht wurde.
Entsprechend ausgeschlafen bin ich somit am Dienstag morgen. Meine Laune sinkt schließlich auf Tiefstwerte, als klar wird, dass wir heute einen Kanji-Test schreiben, für den ich gestern lernen wollte. Na super. Mit Emily im Schlepptau geht es zur Uni, wo ich sie für die nächsten zwei Stunden in Kyles Obhut übergebe. Den Kanjitest werde ich wahrscheinlich nur aufgrund meine freundlichen Sitznachbarn bestehen, aber hey, dafür bin ich hier schließlich sozialisiert. Nach dem Unterricht mache ich mich mit einem Fahrrad auf zu einem großen Schrein, der dem Lernen generell und im Speziellen geweiht ist. Er liegt traumhaft schön fernab der typischen Touristenrouten, ist in der Woche nicht überlaufen und hat einen tollen Park dabei. Also endlich wieder Photos. Und jetzt gehe ich schlafen. Das habe ich mir verdient.
Oje, wünsch der Emily auf jeden Fall mal gute Besserung, ansonsten les ich ja viel Gutes über Japan und die Japaner ;)
AntwortenLöschenAuch die Fotos sind top :)
Viele Grüße aus Glahü,
Marco
P.S.: Trink nicht soviel, sonst passiert dir das, was mir in der Sky-Bar passiert ist! Aber das wichtigste, wenn du irgendwo was von Hellfire liest: FINGER WEG!! ;D
Nach dem ersten Schreck nach dem ersten Satz, sind wir sehr froh, dass es dir und wie es am Ende klang, auch Emily gut geht(mal von der Müdigkeit abgesehen).Das mit den Ärzten in der Ausbildung, kann dir in unseren Krankenhäusern auch jederzeit passieren. Das Wasser in meiner Lunge hat damals in der Klinik auch ein Arzt in der Weiterbildung entfernt. Sehr schöner Park und Schrein. Sind das Trommeln auf dem einen Bild oder ist in den Behältern was anderes drin?
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