Sonntag, 23. Oktober 2011

Jidai Matsuri


Kyôtos Matsuri sind nicht gerade lebhaft. Während in anderen Teilen Japans gerne mal selbst gezimmerte Kastenwägen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Straßen geschleift werden oder bunte Stände allerlei Spaß und Abwechslung bieten, geht es in Kyôto meist etwas gesitteter und ruhiger zu.

Nichts desto trotz kann ich das Jidai Matsuri nur jedem empfehlen, dem es nichts ausmacht sich entweder früh einen Platz ganz vorn mit Decke zu reservieren oder mehr als zwei Stunden am Stück auf einem Fleck stehen kann. Ich gehöre erstaunlicherweise zur zweiten Kategorie. Um Punkt 12 Uhr soll die Parade am Kaiserpalast starten, und wir sind bereits etwas spät dran. Deswegen kann ich nur im Vorbeigehen ein paar Photos von den wartenden Parademitgliedern schießen, dafür aber zumindest eins vor dem Toilettenhäuschen, wo in Reih und Glied ein Samurai, ein Meiji Verwalter und ein zeitloser Priester anstehen. Jahrhunderte getrennt und doch so nah.

Wir finden dann entlang des Absperrbandes auch einen guten Platz in zweiter Reihe, direkt gegenüber vom Presseblock mit den Profifotographen auf ihren Leitern. Ich frage mich, ob die einfach alle angekommen sind, einer hat eine Leiter ausgepackt, und dann haben alle hinter ihm noch größere Leitern herangeschleppt. Jedenfalls sehen sie alle sehr goldig aus mit ihren Riesenobjektiven. Bis die Parade anfängt können wir außerdem zwei Polizeipferde beobachten, deren Reiterinnen sich selbst, die Pferde und das Publikum mit Dressurfiguren bei Laune halten. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich gerade in Japan plötzlich Gespräche über Wolten, Zirkel und „Wechsel durch die ganze Bahn“ führen würde. Und dann geht es endlich los.

Die Jidai Matsuri Parade ist genau das: Eine Parade der verschiedenen Kleidungsstile aus den japanischen Zeitaltern von Edo bis Nara. Zunächst geht es mit ein paar recht neuzeitlichen Kostümen los und es wird bald klar, dass die eingesetzten Pferde nicht wirklich paradeerfahren sind. Das gleiche gilt aber auch umgekehrt für Reiter und Pferdeführer. So müssen manche Pferde bei Stillstand der Parade ständig im Kreis geführt werden, während sich der Reiter recht ungraziös am Sattel festklammert. Ein anderes Pferd, eigentlich zum Ziehen der Kutsche verpflichtet, streikt einfach komplett. Da kann der Pferdeführer noch so sehr ziehen, die Kutsche nebst Pferd bewegt sich keinen Millimeter.

Verdenken kann ich es dem Tier nicht. Der gesamte Park um den Kaiserpalast ist seit einiger Zeit mit Kieswegen versehen wurden, in deren Schotter die Wagenräder noch zusätzlich steckenbleiben. Nicht zu vergessen, dass diese Kutschen mit mindestens 4 Insassen in mehreren dicken Stofflagen für ein einziges Pferd  eigentlich zu schwer sind. Deswegen sehen wir auch in späteren Paradeteilen dann plötzlich Pferde ohne Reiter, die ihren Streik anscheinend erfolgreicher ausgeführt haben als das eben genannte Kutschpferd. Falls sich jemand fragt, wie viele Japaner es braucht, eine festgefahrene Kutsche nebst störrischen Pferd anzuschieben: 1,2,3,4 … 5 Japaner und einen Ausländer, der laut glucksend Photos macht, obwohl die Parade weitergeht.

Die nachfolgenden Kostüme sind allesamt farbenfroh und sehr detailliert. Besonders die Kinder und Frauen sehen aus wie gemalt. Das kann aber auch daran liegen, dass die meisten Männer ihren … sagen wir mal Zenit… schon überschritten haben und die weiten Kostüme mehr als genug ausfüllen.

Im Grunde ist die Parade ohne Musik, doch es gibt einige Gruppen, die Kunststücke vorführen oder auf traditionellen Instrumenten spielen. Eines der Lieder war anscheinend so ein Ohrwurm, dass der kleine japanische Junge es neben mir für die nächsten zwei Stunden mal mehr, mal weniger melodisch ununterbrochen vor sich hinsummt. Das ist ja noch ziemlich süß und kann auch schnell vergeben werden.

Eine andere Sache hat mich aber fast zur Verzweiflung gebracht. Die anderen Deutschen, mit der ich zur Parade gekommen sind, haben fast über den gesamten Zeitraum ihre Klappe nicht halten können und sich lauthals auf Deutsch über Gott und alle Welt unterhalten. ARGH! Ich bin ein sehr toleranter Mensch, aber wenn man auf einem traditionellen japanischen Matsuri, umgeben von Japanern mit ihren Videokameras, die auch schon anfangen uns böse Blicke zuzuwerfen, sich über irgendwelche deutschen Katzen, süße Pferdchen und sonstwas unterhalten muss, werde ich aggressiv.

Deswegen sind es leider auch nicht mehr Videos, weil ich die deutschen Kommentare im Hintergrund nicht ständig mit drauf haben wollte. Naja, am Ende habe ich 226 Photos geschossen und musste mich schon zügeln, weil nach der Hälfte der Parade bereits mein Speicherchip voll war und aussortiert werden musste. Außerdem sind 3 Videos entstanden. Wer mal Zeit und Muße hat, kann sich die Photos ja mal alle antun. Ich weiß nicht mal, ob das für Nicht-Japanologen wirklich so interessant ist, weil die Kostüme teilweise nur sehr subtile Unterschiede haben, die sie in das eine oder andere Zeitalter einordnen. Die Videos gibt es auch als Link auf der Photo-Seite. Ich kann die Bilder hier schlecht auf dem kleinen Bildschirm bearbeiten, deswegen werden einige Bilder noch den Ausschnitt vermissen. Wie gesagt, ihr wurdet gewarnt. Anschauen und Langweilen auf eigene Gefahr.  

PS Da Pixum in letzter Zeit so lange mit dem Hochladen von Bildern braucht, versuche ich es jetzt mal mit einem anderen Service. Sagt mal, ob der für euch zum Anschauen auch in Ordnung ist.

1 Kommentar:

  1. In Kyoto gibt es einen alten Filmpark, wo sie früher die ganzen Jidai-Drama gedreht haben. Da sind ganze Straßenzüge nachgebaut, auch wenn es sicher alles andere als geschichtlich korrekt ist, kann man schön einen ganzen Tag verbringen!

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