Dienstag, 18. Oktober 2011

Okinawa

Puh, und einer weiterer Dienstag hinter mich gebracht. Es ist ja nicht so, als würde ich meine Zeit hier nicht genießen, aber manche Tage ziehen sich einfach wie Kaugummi. Außerdem ist unser „Konversations“ Unterricht am Dienstag völlig sinnbefreit. Wir schreiben... die ganze Stunde. Oder klatschen rhythmisch zu japanischen Zungenbrechern. Sind wir in der Krabbelgruppe oder was? Das für 90 Minuten durchzustehen, würde wohl jeden agressiv machen. Vielleicht wähle ich diesen bescheuerten Kurs ja ab. Meinen Seelenheil wäre es mehr als zuträglich.

In unsere Ethnische Minderheiten Vorlesung haben wir heute einen Gastsprecher. Er ist die Koriphäe in Belgien zum Thema Okinawa. Nun ja, wenn man sich die Größe von Belgien ins Gedächtnis ruft, ist das gleich nicht mehr so eindrucksvoll, aber sein Vortrag war trotzdem interessant. Ich habe fast die ganze Zeit zuhören können, obwohl er kein Anschauungsmaterial jeglicher Art dabei hatte und seine Rede abgelesen hat. Naja, wenn man Google Maps mal ausnimmt. Okinawa hat eine bewegte Geschichte und wird von Japan recht unterschiedlich behandelt. Wenn China anklopft und meint, Okinawa (oder zu mindest ein Teil der Inseln) gehöre ihnen, ist Okinawa so japanisch wie der Tennô selbst. Wenn es aber um geschichtliche Fakten geht (wie die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Japan und Amerika auf den Inseln oder der Krieg zwischen Okinawa und Japan 1608) ist es plötzlich ganz eigenständig und sich selbst überlassen. 
Was mich überrascht hat, ist, dass die Okinawaer... er... nennen wir sie am besten Ryûkyûs, das ist einfacher zu konjugieren, kein besonderes Volk von Seefahrern waren. Auch hat die Bevölkerung ihrer Strände hat erst in den letzten Jahren, vornehmlich durch die Touristen der Insel benutzt. Als Grund dafür nennt der Belgier die Praxis der Ryûkyûs, die Gebeine ihrer Toten im Meer auszuwaschen. Somit wurde das Meer zum Träger zumindest eines Teils der gestorbenen Seelen und kein Ort für Party oder Sonnenbaden.  Aber ich schweife ab.

Morgen ist ein großer Grammatik Test, und ich habe mir hoch und heilig vorgenommen, den ganzen Abend heute dafür zu lernen. Und dann... klingelt der Postbote. 19,7 Kilo Carepaket aus dem.... Westen/Osten/der Heimat. Mit Salami, Knödelteig, Kartoffelbrei, und allerlei Süßigkeiten beschenkt und seelig geht das Arbeiten mit den Vokabeln und grammatischen Formen dann auch irgendwie vorran. Vielen Dank für die wunderbare Überraschung, ich hatte mich ja geistig schon auf das Warten auf ein Weihnachtspaket eingestellt. Alles hat die Post gut überstanden, soweit ich das bisher beurteilen kann.

Jetzt habe ich auch gleich ein Geschenk für Sarahs 30ten Geburtstag nächste Woche. Ich werde eine Dose Leberwurst und vielleicht sogar noch ein paar Gummibären von meinem neuen Schatz entbehren. Ich würde ja geschäftstüchig einen kleinen Little Germany Shop auf dem Campus eröffnen, und meinen deutschen Kollegen die geschickten Sachen zu horrenden Preisen verkaufen, wenn sich nicht mein ganzes Wesen dagegen streuben würde. Alles MEINS. KEINER kriegt was. MEINS!

Apropo, laut Anja startet kommendes Wintersemester in Halle ein neuer Master Studiengang der Japanologie, der ein Jahr in Deutschland, und ein Jahr in Japan absolviert wird. Danach bekommt man einen Master von der Japanischen und von der Deutschen Uni. Zwei Master zum Preis von einem. Das ist doch mal einen Blick wert.

Nachtrag 1: Sachen gibts! Gerade heute habe ich mir noch Sorgen gemacht, dass meine japanischen Bekanntschaften nicht so wirklich vorrankommen und ich aufgrund des Zeitmangels kaum neue Leute kennenlerne. Und jetzt wollte ich mich gerade unter die Dusche verabschieden, da klingelt es an der Tür. Ein zartes japanisches Stimmchen fragt, ob ich kurz Zeit hätte. Ich stelle mich schon mental darauf ein, dass eine der Flurjapanerinnen mich nun schlussendlich zum Flurputzdienst einteilen will, doch es kommt anders.

Vor der Tür steht Fumi, mit der ich vor ein paar Tagen an der Tür über das Wetter und andere Nichtigkeiten gequatscht habe. Sie sucht eine Tandempartnerin für Japanisch-Englisch und meint, ich sei Amerikanerin. Leider nicht zum ersten Mal, dass (nicht nur Japaner) diesen Fehler machen. Selbst Amerikaner haben mich schon für eine Landsfrau gehalten. Ich sage zu, und lasse sie wissen, dass Englisch zwar nicht meine Muttersprache ist, aber wir das schon irgendwie hinkriegen. Sie hüpft nach erfolgreicher Verabredung von dannen und wir sind beide glücklich. Ab nächste Woche Dienstag habe ich einen weiteren, festen, japanischen Kontakt in der Woche. Welcher Zufall es war, der sie zuerst hat bei mir klingeln lassen, und nicht bei der Amerikanerin auf meinem Stockwerk, weiß ich nicht, aber das war es auf jeden Fall wert.

1 Kommentar:

  1. *delurks* Ich habe eine Freundin, die den Masterstudiengang schon erfolgreich abgeschlossen hat. Das erste Semester ist in Halle, die nächsten zwei in Japan (an der Keiô), und das letzte wieder in Halle. Sie verbrachte viele Wochen mit 3h pro Nacht.
    Wurde jedoch nun in einer Unternehmensberatung eingestellt. Wenn das mal keine japanologischen Karriereaussichten sind!

    (Einziger Makel ist laut meiner Freundin, die Aussage von Frau Prof. Schmidtpott, dass der Studiengang wenig Forschungsorientiert ist... wenn das von Belang sein sollte).

    Viele Grüße und ich bin gespannt auf weitere interessante Erlebnisse,

    Kommilitonin Wägerle ;-)

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