Freitag, 9. März 2012

Un dann hatte der Shinkansen Verspätung

Es ist kurz nach Mitternacht, als ich endlich in mein Hotelzimmer wanke. Sie waren heute gut zu mir, und haben das Saufgelage etwas eher als sonst enden lassen. (Nicht, dass die meisten Beteiligten noch nüchtern gewesen wären) Aber erzählen wir die Odysee mal von Anfang an.

Zunächst habe ich am Morgen mein erstes Meeting innerhalb der Firma. Das ist extrem spannend, weil beide Parteien ja irgendwie zum inneren Zirkel gehören, aber trotzdem noch innere Zirkel aufmachen, um sich abzugrenzen. Die Abstufungen im Japanisch sind mir dann wirklich zu komplex, sodass ich den Mund halte und eher die Show genieße. Wieder reden nur zwei Personen die meiste Zeit. Aber, interessant ist, nachdem der Chef der anderen Partei den Raum verlassen hat, krallt sich mein Kollege seine bisher stumme Assistentin und fragt sie aus. Am Ende erklärt er mir nur im Nebensatz, dass für ihn Sinn des ganzen Meetings das kurze Gespräch mit der Assistentin war.

Wir machen uns dann gleich zum Bahnhof auf, und fahren zu einem Außenbezirk von Tôkyô, um von dort aus dann den Shinkansen zu nehmen. An dem Umstiegsbahnhof angekommen, werde ich geschockt. Der Shinkansen hat Verspätung! Ja, ihr habt richtig gehört, der Shinkansen hat Verspätung, und zwar fast eine Stunde. Warum? Nun, es ist ja nur passend, dass sich genau an dem Tag, als ich mir überlege einen Businesstrip zu machen, irgendeiner vor den Zug wirft. Und nicht etwa vor eine U-Bahn, sondern eben mal vor einen Shinkansen. Mut muss der Typ schon gehabt haben.

Jedenfalls warten wir in dem Bahnhof, und fahren schließlich nach Nagoya, und von da mit dem Bummelzug weiter nach Yokkaichi. Wir nehmen ein Taxi zum Industriestandort und rennen sofort in das nächste Meeting, diesmal mit dem Manager einer der Anlagen.

Und die Präsentationen sind auf Englisch, während alle am Tisch Japanisch reden. Warum? Weil der oberste Filialleiter am Ende ja alles absegnen muss. Und der versteht ja kein Japanisch. Deswegen leitet er ja auch die japanische Filiale. Irgendwie erschließt sich das mir nicht ganz. Deswegen machen alle PPT Folien in Englisch, und reden dann in Japanisch drüber. Komisch.

Egal. Danach habe ich eine Führung in der ersten Fabrik. Und dann lernen wir noch eine Mitarbeiterin kennen, die uns weiter zum Dinner bringen wird. Sie ist sehr nett, und ich erfahre von meiner Kollegin nicht nur, dass sie sich um diese Mitarbeiterin wegen des Standorts sorgt, sondern auch angst hat, dass ihre Karriere hier auf dem Land im Sand verläuft. Das Dinner beginnt dann in einem kleinen japanischen Restaurant mit uns 3 Frauen, später stößt noch ein Mitarbeiter und sehr viel später mein Kollege hinzu. Von da ab wird der Abend definitiv lustig.

 Und ich muss mindestens eine Meinung meinerseits grundlegend revidieren. Japaner haben eine Art Sarkasmus und Ironie. Die Geschichten des heutigen Abends haben mir das gezeigt. Und ich bin einigermaßen nüchtern geblieben. Haben einen japanischen „Strich“ gesehen und erfolgreich alles an Alkohol ausgetrunken, was mir bestellt wurde. Highlight des Abends: Mein Kollege, seinerseits mehr als 1,80 groß und ziemlich einschüchternd, wird von einem kleineren Mitarbeiter nicht nur mit Vornamen, sondern auch noch dem Mädchensuffix –chan angesprochen. Und kippt daraufhin lachend vom Stuhl.

Kurze Zusammenfassung von Freitag:

Leute, wenn ihr nicht gewöhnt seid, irgendwelche süßen alkoholischen Cocktails zu trinken und –wie ich- Wodka oder Whiskey lieber mögt, dann habe ich einen sehr gut gemeinten Ratschlag für euch: Haltet euch von Umeshû fern. Besonders dem, den sie NUR mit Eis servieren. Um es mit anderen Worten zu sagen: Am Freitag geht es mir dreckig. Nachdem mir meine geschätzten Kollegen einmal die gesamte Reihe an Honshû’s in der Bar vorgesetzt haben, und dann nicht zu bremsen waren, mir auch noch den bereits genannten extrem süßen Pflaumenwein vorzusetzen, wache ich heute mit einem gehörigen Schädel auf.

Das einzige, was mich während des Regensturms, der Fabrikführung und der Führung durch das Hafenmuseum davon abhält, nicht völlig zu versacken, ist der Wille, keine Schwäche zu zeigen. Wenigstens geht es den anderen nicht besser als mir. Mein Kollege spricht noch schneller und mit noch weniger Verbendungen als sonst, meine Kollegin nickt aller zwei Minuten ein, und unser Toptrinker von gestern muss sich frei nehmen. Jetzt bin ich endlich wieder zuhause, und kann euch meine besten, tollsten und super netten Kollegen endlich mal zeigen. In der Bar sind das der Mann und die Frau rechts von mir. Der Herr, mit dem ich vor der Fabrik stehe und der später links von mir sitzt, ist unser top Trinker gewesen.

1 Kommentar:

  1. Hut ab, dass du trotz der späten Stunde und den Strapatzen der Dienstreise noch die Kraft für einen so ausführlichen und spannenden Reisebericht hattest. Danke! Der weiße Kittel, kombiniert mit dem Schutzhelm ist ja megacool. Die tollen Bilder von dem leckeren Essen hätte ich mir nicht vor dem Mittagessen ansehen sollen! Hunger!!!Bei dem einen Bild aus der Kneipe haben aber beide Herren schon sehr glasige Augen.
    Dass mit dem Shinkansen ist ja ein Ding!
    Schlaf dich am Sonnabend erstmal richtig aus!
    Bis zum Sonntag!

    AntwortenLöschen