Eigentlich soll es ja heute regnen. Google hat es mir gesagt. Doch bereits gegen 6 Uhr weckt mich gleißendes Sonnenlicht, und alle anderen Wetterseiten scheinen sich auf rund 33 Grad verständigt zu haben. Was mache ich also mit einem nicht verregneten Montag? Ein Blick auf meine gestern erbeutete Stadtkarte zeigt, dass sich in der Nähe der Shijo Dori neben dem Gion (Geisha/Geiko) Bezirk auch noch eine große Parkanlage mit Tempeln sowie Schreinen befindet. Das kann man doch ein ausgeglichenes Tagesziel nennen.
In der Flurküche treffe ich noch Emi wieder, die gerade aufgestanden ist und gleich zur Arbeit fährt. Die Arme, scheint noch völlig verschlafen und mir deswegen gleich noch sympatischer, Frühaufsteher haben etwas gespenstiges an sich. Als ich mir gerade meine (durch Schuhspray erwas besser duftenden) Sandalen überstreife, komnt auch noch die Haushälterin auf mich zu. Wir reden kurz über Kyôto, wo es (nach ihrer Meinung) nicht so sicher ist und dass sie seit 50 Jahren hier lebt. Naja... also, ich glaube ja es sind mehr als 50, nicke aber nur artig und verabschiede mich. Auf Anraten der Haushälterin kaufe ich mir diesmal ein Tagesticket für 500 Yen, mit dem ich in ganz Kyôto herumfahren kann, wie ich lustig bin.
Von Shijô Dori aus geht es dann in Richtung Fluss, vor dem ich noch schnell in eine anscheinend bekannte Restaurantmeile des Geisha/Geiko Viertels abbiege. Am Abend und Nachmittag kann man bestimmt nicht so einfach hier langschlendern, aber jetzt, am frühen Morgen, wird geputzt und geräumt, weil nur wenige Besucher auf den Beinen sind. Die Essensauslagen sind herrlich, und ich höre auf, sie zu photographieren, als ich davon wieder hungrig werde.
Über den Fluss hinweg komme ich dann nach mehreren kleinen Gassen (die Hauptstraßen sind schon jetzt überlaufen und nur voll mit Geschäften, die zwar Japanisch aussehen, jedoch zu meist an Ausländer oder Touristen gerichtet sind) beim Yasaka Schrein.
Zum ersten Mal sehe ich ganze Busladungen von Ausländern und alten japanischen Frauen vor mir auf der Straße und füge mich meinem Schicksal aus Warten, zur Seite geschupst werden, wieder warten und ergreife schließlich die Flucht nach vorn aus dem Schreingelände heraus in einen den Berg hinaufführenden Park. Es ist angenehm kühl unter den großen Bäumen und generell ist die Umgebung mehr als malerisch. Und so ruhig. Als wäre man überhaupt nicht weniger als 10 Minuten entfernt von einer riesigen Einkaufsstraße.
Ohne auf meine Karte zu schauen, wandere ich immer weiter nach oben, bis mir nur noch Tempelmitarbeiter und alte Leute begegnen (denen die Hitze und der Anstieg bei Weitem nicht so viel ausmacht wie mir). Ich finde weitere kleine Schreine und bete an jedem verfügbaren Punkt für die Gesundheit meiner Familie. Wenn das so weiter geht, muss ich noch einen extra Ausgabenposten für Schreinabgaben einführen.
Auf dem Weg nach unten finde ich noch einen buddhistischen Friedhof, viele Restaurants und kaufe mir schließlich kostensparend und vom Hunger geplagt einen Crepe. Was kann schon passieren, während ich esse? Nun, zum Beispiel kann ein Fotoshooting für Hochzeitskimonos abgehalten werden, von dem ich nur zwei unverwackelte Fotos hinbekomme, weil der Crepe nun auch irgendwie Geld gekostet hat und deswegen nicht einfach abgelegt werden kann. Sei's drum!
Entlang des Rückwegs treffe ich 3 nette Mädchen im Kimono aus Ôsaka, die sich nicht nur von mir photographieren lassen, sondern auch etwas mit mir über die Gegend schwatzen. Als letztes schaue ich dann noch bei Softbank vorbei, und werde fündig. Sie bieten Prepaid Handys an, die mich an die 80 Euro kosten, und dann in zwei Monaten etwa 40 Euro, wenn ich mit dem Telefonieren haushalte. Das sind so ungefähr die gleichen Modelle, wie es schon vor 5 Jahren gab, aber damals hat das ja auch gut funktioniert. Email geht, und anrufen geht auch. Internet geht natürlich nicht. Sei's drum, warte ich eben auf mein Smartphone, bis ich wieder in Deutschland bin. Vielleicht sind sie bis dahin etwas billiger.
Hach, diese Gemeinschaftsküche hat schon was für sich. Als ich heute Abend aufbreche, um meinen kargen Kühlschrankinhalt in dampfendes Essen zu verwandeln, mache ich endlich meine nächste engere Japanerbekanntschaft.
Bereits an der Tür wird klar, dass mir diesmal das einsame Kochen erspart bleibt. Nicht nur, dass die gesamte Küche große Glaswände hat und damit so ziemlich nichts darin verbirgt, auch am Türknauf selbst baumelt ein kleines, blaues und überaus fusseliges Etwas. Drinnen treffe ich sogleich auf Yoshimi aus 408, die sich gerade Udonnudelsuppe mit einem Spiegelei zubereitet.
Ich frage sie als Eisbrecher gleich nochmal, ob ich wirklich alles, auch die so nett aufgestapelten Pfannen und Töpfe, benutzen könnte. Ich darf, und die Arme wird mich für den Rest des Essens auch nicht mehr los. Doch zumindest deutet nichts darauf hin, dass ihr meine Gesellschaft besonders viel ausgemacht hätte. Wir schwatzen über die Uni und ihren letzten Trip nach Italien, von dem sie seit gestern wieder zurück ist. Ich versuche möglichst viel über sie zu erfahren, und nicht allzu sehr in die „Der Ausländer erzählt wo er her kommt und was er da so macht“ Leier abzugleiten. Gemeinsam wird über Italiener gelästert, ich erfahre interessante Hinweise auf die „Keine Männer im Wohnheim“ Regel, und wir essen zusammen.
Yoshimi erzählt mir, dass sie im 4ten Semester Kommunikation studiert und eigentlich aus Ôsaka kommt. Nach einem suggestiven: „Oh, in Ôsaka war ich ja noch nie. (Kleine Notlüge und eigentlich trotzdem wahr)“ läd sie mich ein, bei Gelegenheit gemeinsam hinzufahren. Noch ist das völlig unverbindlich, wie ich ja weiß, aber wenn wir uns noch ein paar Mal sehen, wird das konkreter geplant. Die Gelegenheit lasse ich mir doch nicht entgehen.
Außerdem erzählt sie mir, dass sie später gerne Mutter werden will, aber gleichzeitig weiter arbeiten möchte. Nun, mit einem Kind kann ich nicht dienen, aber dafür kann ich ja erzählen, dass es trotzdem in unserer Familie bald Zuwachs geben wird. Danach ist die Stimmung gleich nochmal herzlicher und wir tauschen uns darüber aus, was an Kindern so drollig ist, wie japanische Kindernamen ausgewählt werden, und dass Paare in wilder Ehe in Japan nicht besonders gut angesehen sind. Am Ende schenke ich ihr noch zwei Schokoladentaler (die sind GOLDWERT) und wir sortieren ihre mitgebrachten Eurostücke nach Ländern. Nun kann ich gut gelaunt noch etwas lesen und dann schlafen gehen.
Vor einigen Tagen sind meine Vorräte an Shampoo und Spülung im Reiseformat (ergo, wenig Inhalt für viel Geld) zur Neige gegangen und ich zog los, auf der Suche nach irgendwas für Farbe, und gegen eine Frisur, die selbst Einstein neidisch gemacht hätte. Wie schwer kann das schon sein?
In der kleinen Drogerie, zwei Nebenstraßen weg und fünf Preiskategorien billiger, findet sich auch gleich eine ganze Regalreihe mit bunten Flaschen (oder Tüten) in allen erdenklichen Farben und Formen. Leider war der Inhalt weitaus weniger differenziert. Ich nahm die erste Flasche aus dem Regal, und las (mit Lippenbewegung langsamer als ich eigentlich sollte) da-me-gi ka-ru. Aha, Damage Care. Nun ja, so schlimm ist es nun auch noch nicht. Suchen wir mal weiter.
Nächste Flasche, diesmal bestechend durch ein leuchtend rotes Design und viel Inhalt. E-ku-su-tu-ri-mu da-me-gi ke-ru. Extrem Damage Care. Ok, das hat schon irgendwie Sinn, stehen ja auch fast nebeneinander, die Flaschen. Nachdem ich also 10 Schritte entlang des Regals gewandert bin, wird ein erneuter Versuch gestartet.
Gu-lo-shi sha-i-n da-me-gi ke-ru. Was zum? Glossy Shine Damage Care? Langsam wird mir bewusst, wie blöd ich gerade aussehen muss. Versetzt in die Perspektive eines anderen (japanischen) Kundens steht da eine blonde Ausländerin vor den Shampoos, nimmt eine Flasche aus dem Regal, starrt sie für mehrere Minuten Selbstgespräche führend an , nur um sie dann mit einem Kopfschütteln zurück ins Regal zu stellen und sich die nächste zu greifen. Kein Wunder, dass sich niemand sonst an das Regal wagt.
Aber das kann doch nicht sein. Inzwischen kann ich das katakanische Wort Damage auch von weitem Lesen und springe hastig vor dem Regal hin und her. Alles nur Damage repair. ALLES. Ich suche eine weitere Regalreihe mit Produkten, vielleicht war das hier eine Sonderaufstellung. Nein, kein andere Teil des Ladens für Shampoo. Nur Damage Care.
Und eine winzige Abteilung für Herren, die ich lieber nicht inspizieren möchte. Am Ende kaufe ich das billigste da-me-gi ke-ru verfügbar, schmeiße noch eine Packung Froschseife (für 100 Yen im Angebot) dazu und verlasse verwirrt den Laden. WAS machen die hier mit ihren Haaren, dass sie sich nur für Damage Care interessieren?
Uhu... über 80 neue Photos. Naja, wie gesagt, Wetter und Umgebung waren TOP.