Donnerstag, 22. September 2011

Kontoeröffnung oder „Willkommen in der Krabbelgruppe“


Yessus es muss doch irgendwann mal aufhören zu regnen. Also, so heute wäre ein guter Zeitpunkt. Und am besten jetzt gleich, als wir Kilometer auf dem Fahrrad zurücklegen, nur um ein Bankkonto zu eröffnen.

Das muss jetzt gemacht werden, weil die in der Dôshisha das so wollen, und diesem Argument kann oder will man nun wirklich nichts entgegensetzen. Wir fahren also los, und schon wieder höre ich Emily hinter mir „Regen! Regen!“ rufen. Für eine Weile versuche ich die nassen Tropfen zu ignorieren, die langsam aber sicher meine Brille herunter rinnen. Doch irgendwann, als sich ein paar Tropfen wiedermal in Starkregen prasselnder Wassermassen verwandelt haben, gebe auch ich mich geschlagen und wir kaufen zwei „Regencapes“.

Diese Dinger sind das hässlichste, unnützeste, bedruckknopfte Stück Plastik, was mir jemals untergekommen ist. Und ich hatte als Kind Glitzerponys! Außerdem sind sie warm. Ich meine, was ist bitteschön der Sinn eines Regencapes, wenn ich schweißgebadet trotzdem völlig nass an meinem Ziel ankomme? Aber egal, wir bekommen unsere völlig sinnfreien Stempel, in die für mich ein B und ein G eingraviert wurde. Das entspricht auch wirklich viel mehr meinem Namen und ist außerdem völlig einzigartig in der ganzen weiten Welt, nicht wahr?

In der Bank geht der gesamte Zettel-ausfüll Marathon auch gleich wieder von vorne los. Zwei Zeilen schreiben, mit Stempel solange leuchtend rot zustempeln, bis die eigentliche Schrift nicht mehr lesbar ist, und wiederholen. Wenigstens ist der japanische Angestellte diesmal netter.

Er beglückwünscht uns zu unserem tollen Japanisch, nur um die nächsten 2 Stunden damit zuzubringen, alle Anweisungen in englischen Einzelwörten zu geben, um sie dann mit einem „please“ zu versehen. „Date... please“ …. „Name... please“. Aber er hat eine etwas piepsige Stimme und meint es wahrscheinlich nicht böse, also haben wir Spaß beim Ausfüllen.

Vor uns steht nun das ungewisse Warten, was in einer japanischen Behörde zwischen 2 Minuten und 4 Stunden jegliche Zeitspanne annehmen kann. Doch zum Glück kommt auch schon eine willkommene angefahren.

Sein Name ist Yoshitsu und er ist gestern ein Jahr alt geworden. Als Einjähriger fängt ja bekanntlich der Alltagsstress schon richtig an. So muss man Mutter und Oma zur Bank schleifen, und dort dann auch noch endlos lange auf irgendwelche Überweisungen warten. Also fängt man an, auf wackligen Beinen und mit einer bemerkenswerten Standhaftigkeit den eigenen Kinderwagen durch die Bank zu schieben. Es rostet schließlich, wer rastet.

So wie Mama, die sich irgendwann völlig fertig auf eines der Sitzmöbel fallen lässt, während Oma mit viel Trahra wahlweise vor, hinter, oder neben dem Kinderwagen herrennt. Doch dann fällt Yoshitsus Blick auf zwei äußerst komische Gestalten. Sogleich wird der Kinderwagen angehalten, und Mama die unglaubliche Neuigkeit mitgeteilt:

„Mama, deren Haar brennt!“

Mama ist natürlich nicht besonders angetan von dieser Beobachtung, denn ich sitze direkt neben ihr und sie entschuldigt sich sofort, während Yoshitsu schon nach meinen Haaren greift. Die Situation löst sich aber schnell, als ich ihr versichere, dass der Kleine unglaublich goldig und doch ein echter Wonneproppen ist.

Yoshitsu darf also nach Herzenslust meine „brennenden“ Haare anfassen, den Inhalt meiner Tasche durchsuchen und wahlweise auf mir oder Emily herumkrabbeln. Die Mutter dankt es uns, für ein paar Minuten nicht auf ihr Energiebündel auf zwei Beinen aufpassen zu müssen, die Oma kann nun stolz von all den tollen Dingen erzählen, die Yoshitsu schon kann, und wir finden, dass die zwei Stunden Warten wie im Flug vorbei sind.

Also besitze ich jetzt ein japanisches Bankkonto, und in zwei Wochen dann auch endlich eine Karte, um davon Geld abzuheben. Zurück im Campus haben wir noch unsere Zimmer für die einzelnen Vorlesungen erfahren, und als ich schließlich zuhause ankomme, erwartet mich im Eingangsbereich ein großes Paket aus der Heimat.

Leider wird das Auspacken etwas von explodiertem Käse getrübt, den ich so glaube ich nicht mehr essen kann. Aber um etliche Schuhe, T-Shirts und Süßigkeiten reicher, kann das meine Stimmung nicht wirklich trüben. Mit Emily esse ich zum Abendbrot Toast, Spiegeleier und ein paar Scheiben von dem Käse, der die Reise überstanden hat. Wir sind beide glücklich und zufrieden.

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