Naja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen. Auf dem Flug nach Ôsaka habe ich mir eine Dokumentation über Kyôto angeschaut. Wenn man die beiden Kreischmiezen vom Dienst (Fukushimas Gemüsedokumentation lässt grüßen) ausgeblendet hat, war es ein ganz interessanter Beitrag über selbstgemachte Süßigkeiten und Ramen mit darin schwimmenden Rührei.... Naja, wer's mag. Außerdem half es dabei, die ganzen starrenden Blicke zu vergessen. 4 blonde Mädels, und knapp zwei Stunden Zeit, sie ausgiebig zu mustern. >.< Naja, unsere Koffer sind dann auch (natürlich als fast letztes- Spannung ist wichtig und so) vom Band gerollt und unsere Karawane zog schwer beladen in Richtung Züge. Dort haben wir ein Ticket gelöst... und dann nachdem die Schranken uns nicht durchgelassen haben, noch eins, denn es war ein Expresszug und überhaupt sowas müsse man doch wissen. Mein Gott, ich war inzwischen seit 40 Stunden auf den Beinen, die konnten froh sein, dass ich noch einen Fuß vor den anderen setzte ohne umzufallen.
Die Zugfahrt verbrachten wir dann allesamt damit krampfhaft NICHT zu schlafen. Auf dem Bahnsteig wurden wir von einer netten Dame abgeholt, die uns zwar nicht ihren Namen verriet, dafür aber sogleich Angst und Schrecken verbreitete. Also, die drei zur Dôshisha Mansion (Jana, Jenny, Dominique) würden jetzt allein mit dem Taxi zu ihrem Wohnheim fahren, während unsere Betreuerin ausgerechnet mit mir zum Richard House fahren wollte. Nun, beschwert habe ich mich nicht, wohl aber etwas Angst um die anderen gehabt. Aber irgendwie werden sie schon angekommen sein.
Im Wohnheim angekommen lernte ich sogleich 2 Dinge: Im Eingangsbereich müssen die Schuhe ausgezogen werden... und Gaijinfüße haben nach fast 40 Stunden kochen im eigenen Saft keinen besonders guten Geruch. Peinlich, peinlich. Außerdem waren es um Mitternacht in Kyôto immer noch 23 Grad heiß und die Luftfeuchtigkeit lag bei mindestens 90%. Ich war bedient. Dann endlich stand ich in meinem Zimmer. Eine Kochnische, ein eigener Kühlschrank, ein eigens Bad mit Badewanne und ein geliehener Futon vor dem Balkon. Alles ganz ordentlich, aber mein erster Blick und somit meine ganze Aufmerksamkeit ging erstmal zu dem kleinen Schreibtisch, und dem darauf in seinen Einzelteilen liegenden Modem. Meine Begleiterin reagierte leicht panisch auf meine Frage nach dem Internet, und meint nur, dass das nicht ihre Sache wäre. Ok, die Nacht war ja noch lang.
Nun sagt sie mir, ich solle mich morgen früh um 9:30 zur Orientation einfinden. Ich sage ja. Sie meint dann, ich solle mich, auch wenn ich müde wäre, rechtzeitig zu der Orientation um 9:30 Uhr einfinden. Ich sage: Ja, ich habe verstanden. Als sie mich in den nächsten 5 Minuten noch einmal ermahnt, doch bitte auf jeden Fall morgen um 9:30 Uhr bei der Orientation zu sein, versuche ich es anders. Ja, ich würde, auch wenn ich müde wäre, mich auf jeden Fall um 9:30 Uhr zur Orientation einfinden. Und komme mir vor wie ein Papagei. Doch das scheint meine Begleiterin zu beruhigen, und sie ist weg. In den nächsten 20 Minuten lerne ich noch zwei Dinge. Erstens, es gibt kein heißes Wasser, und zweitens... ich habe keine Ahnung, wie ich mir aus den unzähligen Laken, Decken und einem mit Steinen gefüllten Kopfkissen ein Bett bauen soll. Für einen kurzen Moment bin ich versucht, nach „Futon for Dummies“ zu googlen, doch das Internet weigert sich zu kooperieren.
Nachdem sich auch die Klimaanlage meinem Willen gebeugt hat, und der Wecker auf 7 Uhr gestellt ist, schlafe ich trotzdem ein.
Am nächsten Morgen gehe ich zunächst zum Konbini. Kontaktfreudig, und einfach planlos spreche ich das erste Ehepaar an, dass mir über den Weg läuft: Hallo, Entschuldigung, wo ist denn bitte der nächste Konbini? Die beiden starren mich an. Mir ist plötzlich etwas mulmig zumute und ich versuche es erneut. Konbini... Kooooonnnnbini...? Sie starren weiter. Ich versuche es anders: Ein Laden, wo es Essen und Trinken und Toilettenpapier gibt. Jetzt kommt Leben in dieses Gespräch: Ach, Konbini, ach, ja der ist da vorn rechts und dann gerade zu und dann links. Ich kann zwar zwischen ihrer Aussprache von Konbini und meiner keinen Unterschied betonungsmäßig ausmachen, doch da ich bekommen habe, was ich wollte, wird das einfach mal als Erfolg verbucht. Basta. Der nette Ladenbesitzer versteht mich dann ohne Probleme und wärmt mir sogar mein gekauftes Frühstück auf. Erstes Bild, erster Einkauf^^
Zurück im Zimmer kämpfe ich erneut gegen das Internet. Ohne Erfolg, gehe die große Gemeinschaftsküche inspizieren (Töpfe, Pfannen, große Kochplatten, Ofen, Reiskocher... alles da) und frage mich im Stillen, warum es weder hier noch in meinem Zimmer einen Mülleimer gibt. Direkt neben der Küche ist auch noch eine Zimmertür halb offen. Da fragen wir doch gleich mal nach. Wenn ich sie störe, geh ich halt wieder. Was soll ich sagen? Ich störte nicht. Emi, Japanerin auf meinem Stockwerk, zeigt mir nicht nur die Müllcontainer hinter dem Haus, und wo was hingehört, sondern macht mich auch noch mit der Hausmeisterin bekannt, zeigt mir die Waschmaschinen, den Fernsehraum und schafft es sogar, der Hausmeisterin das fehlende Kabel für mein Internet aus dem Kreuz zu leiern, das ich eigentlich hätte selbst kaufen müssen. Für ihre Hilfe und in Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen schenke ich ihr zwei Schokoladentaler (einen zum Anschauen, einen zum Essen) und mache mich auf zur Orientierung (9:30 Uhr, wir erinnern uns).
Ich komme natürlich viel zu früh an und habe ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil sich die anwesende Hausmeisterin der anderen beiden Wohnheime anscheinend gezwungen sieht, deswegen die ganze Zeit mit mir zu reden. Ich hoffe, ich habe sie nicht zu sehr gelangweilt oder abgehalten. Dann kommt Emily dazu. Sie ist aus London, sieht etwas Indisch aus, könnte aber auch als Japanerin durchgehen und wir unterhalten uns, Wunder oh Wunder, in Japanisch. Das heißt, bis die Orientation losgeht. Davon gibt es nicht viel zu berichten, außer, dass Männer an der Leine zu führen sind und aus dem Wohnheim draußen bleiben müssen. IMMER. Und was ist, wenn es ein Feuerwehrmann...? IMMER! Ok... Nach der Orientation nimmt sich dann unsere Hausmeisterin meines Badproblems an und ich verabrede mich mit Emily zum 100 Yen Shop Shopping.
Aus der Ferne höre ich die Stimme meines Vaters: Kiiiiind. Kauf nicht zu viiiiiiiel ein. Mal sehen, ob das was wird. Als ich auf Emily warte, kommt eine weitere Traube von Ausländern an und läd mich zum gemeinsamen Lernen für den Aufnahmetest am Dienstag ein. Sofort habe ich ein schlechtes Gewissen. Ich müsste ja, und die Kanji... und das Grammatikbuch, was so vorwurfsvoll aus meiner Handtasche schaut. Aber wirklich? Mein erster richtiger Abend in Kyôto, und ich soll ihn mit Lernen verbringen? Für einen Test, der mein Niveau verstellen soll, um mich in einen passenden Kurs zu stecken? So richtig erschließt sich mir der Sinn dabei nicht so ganz, und ich lasse es bei einem unbestimmten: Hm.
Emily sieht das ganze ähnlich wie ich, und wir beschließen außerdem auf halber Strecke, dass wir es doch durchgängig mit Japanisch versuchen sollten. Wozu sind wir sonst hier. Also gehen wir shoppen, halten uns gegenseitig zurück und achten auf die Preise. Wir beide schlucken nach der Rechnung des Lebensmittelladens. Wir brauchen da noch eine preiswerte Alternative. Für eine Notganitur fürs Wochenende habe ich fast 30 Euro bezahlt. Plus ein Kilo Reis, einige Soßen und... egal. Danach schlage ich mich den Nachmittag mit meinem PC rum, Skype geht nicht, und Google Hangouts auch nicht, und selbst die selbsternannten Ubuntunerds vor dem Herren finden keine Lösung. Das Problem hat mich letztendlich noch bis in die Nacht beschäftigt, mit einer guten Aussicht auf Lösung durch Windows am.... Samstag. Danke nochmal an Moritz für die unermüdliche Hilfe. Naja, egal, bis Sonntag muss es gehen, und dass schaffe ich.
Zwischendrin sind Emily und ich noch Abendessen gegangen. Weil wir nicht ganz so viel ausgeben wollten, sind wir unendlich weit umher gelaufen, nur um festzustellen, dass es in direkter Umgebung der Ausländerwohnheime zwar etliche Dunkin Donuts, french Cafes und Mc Doofs gibt, aber kaum bezahlbare japanische Küche. Wir landen in einem Schnellrestaurant, was an sich überhaupt nicht schlecht ist, doch als wir sitzen, kriegen wir eine englische Karte. Ich traue keinen japanischen Restaurants mit englischer Karte. Das Essen ist ok, aber die Atmosphäre irgendwie angespannt. Angestarrt zu werden ist ja normal, aber das war noch irgendwie anders. Egal, vorbei ist vorbei, und ich habe den Rest des Abends an meinem PC Problem gesessen. Und meine Sachen ausgepackt.
Jetzt bin ich müde. Morgen gehe ich alleine auf die Pirsch.
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