Mittwoch, 14. September 2011

Tage, die nicht enden wollen


Hach, bin ich knülle. So ganz hat sich der Jetlag noch nicht verabschiedet, sodass ich zwischen 6 Uhr Powerwach und 9 Uhr total verschlafen wählen muss. Doch es geht schließlich heute zum mündlichen Test, und ich will vorher noch Geld abheben. Das ist zum Glück reibungslos und auch der Interviewverlauf ist in meinem Sinne. Am Ende soll ich sogar detailliert beschreiben, wie ich ein Kanji lerne. Also dürfen sie sich meine Geschichte von morbiden Bildern anhören, die jedes noch so unschuldige Kanji in einen haarsträubenden Todesfall verwandelen und somit besser zu lernen sind.

Danach wandere ich doch den Kaisergarten und versuche aus dem ganzen Zettelwirrwarr von gestern etwas schlauer zu werden. Die Dôshisha funktioniert anscheinend wirklich nach dem „friss oder stirb“ Prinzip. Jemand, der nicht wenigstens schon mittelgut Japanisch kann wird gnadenlos ignoriert und zurückgelassen. Etwas furchteinflößend. Anscheinend gibt es eine Kursregistrierung für Zulassungsbeschränkte Vorlesungen, die schon übermorgen endet, und eine Menge einzelner Schritte und Geldmengen, die irgendwo hinterlegt werden. Und Karten/Anmeldeformulare, die irgendwann irgendwo eingereicht werden, ohne die man garnicht als Student registriert wird. Nix davon in Englisch, oder wenigstens mit Furigana geschrieben.

Leichte Panik macht sich in meinem Innern breit, als ich versuche alles in 3 Haufen einzuteilen: 1. Ungefährliches Infomaterial ohne größere Auswirkungen 2. Formulare, die ich verstehe und bald abgeben muss und 3. Unverständliche Zettel auf denen aber groß und drohend irgendeine Geldangabe zu finden ist. Es sind entscheidend zu viele Zettel auf Stapel Nummer 3 gelandet. Nach einem Mittagessen mit Emily finden wir uns zu einer weiteren Orientation ein, die uns eigentlich jedem einzelnen einen Volontär zuteilen sollte. Jedenfalls wurde das gestern noch hoch und heilig versprochen. (Und als Ausrede für jegliche Fragen verwendet) Doch, oh nette Überraschung, ungefähr 10 Austauschstudenten werden mit ein oder zwei Volontärs über den Campus gejagt.

Unsere Gruppe besteht nur aus Koreanerinnen und Chinesinnen, die alles schon länger im Land sind, Emily und mir. Wir quälen uns in brütender Hitze durch die Campusführung, nur um dann fast eine halbe Stunde mitten in der Sonne stehen gelassen zu werden. Die anderen Ausländer besitzen nämlich alle schon eine Aliencard und wollen mit den Japanerinnen, bevor die mit uns verschwinden, noch Fotos machen und was Essen. Völlig verwirrt bleiben wir zurück und ich kann auch noch bemerken, dass irgendwelches Mückenkriechgetier meine Beine in ein Schlachtfeld verwandelt hat. Na super.

Irgendwann genügen sich dann unsere Volontärs, doch auch mit uns zur Alien Registration zu gehen, wo es promt die nächste Absage gibt. Weil wir so spät ankommen, nehmen die Damen und Herren vom Amt zwar gnädigerweise unsere Anmeldung an, weigern sich aber unseren tempurären Ausweis noch auszustellen. Als klar wird, dass nicht alles ganz so gelaufen ist, wie es hätte laufen sollen, verabschieden sich die beiden Japanerinnen mehr als hastig und lassen 3 deutlich verstimmte Ausländer zurück. Aber egal, wir werden uns jetzt selbst mit Handys belohnen, denken wir und machen uns auf den Weg zur nächsten Softbank Filiale.

Dort erklärt man uns mit wenigen Verbeugungen und einem durchaus ärgerlich zu nennenden Gesichtsausdruck, dass vor etwa einer Stunde eine Horde von Ausländern mit ihren Volontärs hier eingefallen wäre, und alle Prepaid Handys ausverkauft seinen. Unflätig über das Leben und die Welt und eigentlich alles fluchend nehmen wir den nächsten Bus zur Shijo Dori und versuchen dort unser Glück. Für einen kurzen Lichtblick sorgt, dass das zweitteureste Prepaid Handy heute so viel wie das billigste kostet und das Ladekabel zur Abwechslung im Preis mit drin ist.

Doch wenig später, während die anderen beiden bereits ihr Handy in den Händen halten, wird mein Pass immer wieder beäugt und weggeschleppt. Was? Ja, ich bin Deutsche. Nein, da kann man leider im Moment nichts gegen machen. Nein, dass ist kein zweites B in meinem Namen, dafür habe ich doch die Umschrift hinzugefügt. Nein, es sieht zwar aus wie ein B, wird aber in Umschrift zu einem doppelten s. Was heißt hier, das können sie nicht glauben? Haben sie Deutsch gelernt oder ich?

Die Dame lässt nicht mit sich reden und besteht darauf, da ihr die Umschrift nicht klar ist und da das so in meinem Pass steht, könne sie mir kein Handy verkaufen. Irgendwann wird mein Japanisch etwas kürzer und die Tonlage deutlich dunkler, und ich versuche meine Nerven zu bewahren. Der Tag war schon zu lang und in dem Moment sitze ich bereits 2,5 Stunden in diesem komischen Stuhl.

Nach weiteren 20 Minuten werde ich an eine andere Mitarbeiterin verwiesen, die meine Daten mit GRIEBBACH ausdruckt und mich fragt, ob das so ok wäre. Nein, will ich schreien, nichts ist ok. Das ist nicht mein Name, das kann sonst was für Probleme geben, was fällt ihnen eigentlich... Doch ich will jetzt mein Handy und aus diesem Laden raus, also nicke ich nur und schließe die Augen.

Wenig später können wir endlich den Laden verlassen und uns auf den Weg zurück nach Hause machen. Ich bin völlig fertig und sehe mit Schrecken, dass es morgen noch früher losgehen wird. Um 9:15 werden die Testergebnisse bekannt gegeben.

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