So, nachdem die ganze Aufregung erst einmal wieder vorbei ist, werde ich nochmal ein wenig was von gestern erzählen. Bus fahren macht Spaß. Wirklich, sogar, wenn man wie ich zur Hauptverkehrszeit Samstag Mittag wie eine Sardine eingepfercht dasteht. So kann man wenigstens nicht umfallen! Und diese Shijo Dori (Straße) ist wirklich eine Wucht. Nicht nur der ganze Straßenzug voll mit Geschäften, sondern auch eine riesige Art von Markthallensystem, von dem ich mir nur einen Bruchteil anschauen konnte, weil es so weitläufig ist. Und natürlich selbst da in der Mitte ein Schrein.
Auch meine Handy-Recherche konnte ich schon starten. Das Problem ist wohl, dass fast keine Handys ohne Vertrag oder Prepaid Zugehörigkeit verkauft werden. Das heißt: Sobald ich Japan wieder verlasse, wird das Ding unbrauchbar. Und wenn ich ein Handy mit Vertrag nehme, komme ich mit der kleinsten Standartrate immer noch auf mehr als 50 Euro im Monat. Für einen Prepaid verwöhnten 20 Euro über 3 Monate Strecker wie mich ist das wirklich etwas teuer. Natürlich habe ich beim letzten Mal in Japan sicher noch mehr bezahlt (dunkel schwebt mir die damalige monatliche Rate von 70 Euro vor den Augen), aber ein wenig Preissturz sollte wohl drin sein, oder nicht?
Prepaid Handys habe ich bisher nur bei AU gefunden, doch die haben nicht mal die Handy zu Handy E-Mail Funktion. Das muss als mindestes schon sein. Meine letzte Hoffnung ist „Softbank“, ein weiterer Anbieter, der anscheinend auch Prepaid Handys hat. Aber von dem Wunsch, ein Smartphone zu kaufen, muss ich mich wohl verabschieden. Erst für viel Geld kaufen, und dann nach einem Jahr unbrauchbar, nein danke.
Eine weitere neue Errungenschaft meinerseits ist übrigens ein Ausgaben-Buch. Darin versuche ich jetzt ein Haushaltsbuch zu führen. Mit den ganzen Einkäufen und schönen Sachen um mich rum, will ich nicht den Überblick verlieren. Also saß ich gestern Abend (Netbook war ja eh aus) da und habe die Ausgaben der ersten 3 Tage in Japan gegen mein mitgebrachtes Geld aufgerechnet.
Erschreckend. Wirklich, wenn man sich das vor Augen führt, wie viel Geld ich in ganzen 3 Tagen verbraucht habe! So kann das nicht weitergehen. Manche der Einkäufe waren zwar einmalige Sachen, die am Anfang für die Einrichtung in Japan einfach anfallen müssen, aber insgesamt waren die Posten einfach zu hoch. Wenigstens habe ich jetzt mal eine Aufstellung gemacht und kann mich außerdem guten Gewissens der Illusion hingeben, dass mir das beim Haushalten helfen wird.,
Heute bin ich wie gesagt zu Big Camera gegangen, eine der großen Elektromarktketten in Japan. Bevor mein Rechner gestern abend schlapp gemacht hatte, konnte ich noch googeln, das sich die nächste Filiale in der Nähe der Kyôto Station befinden soll. Einige der Busse in der Nähe unseres Wohnheims fahren zum Glück direkt dahin. Bezahlen muss ich immer 220 Yen pro Fahrt, egal wie lange und wohin, was relativ günstig ist, doch auf die Dauer auch ins Geld geht.
Deswegen schaue ich mich jetzt auch nach günstigen Fahrrädern um. Die billigsten in einem kleinen Shop in einer noch kleineren Seitengasse unseres Viertels kosten um die 7.000 Yen. Das sind aber mehr als 60 Euro und damit auch nicht gerade billig. Irgendwo in der Nähe soll noch ein Fahrradverleih sein, mal sehen wie viel die da verlangen.
Aber zurück zu meinem heutigen Ausflug. Am Kyôto Bahnhof angekommen, erschlägt mich nicht nur fast die Hitze, sondern auch die Menge an riesigen Hochhäusern mit unendlich vielen Geschäften. Zwischendrin ist mir noch etwas mulmig geworden, ob denn alles auch am Sonntag aufhaben würde. Doch auf der langen Busfahrt kann ich mich wenigstens davon überzeugen, dass vielleicht nicht jeder kleine Laden am Sonntag öffnete, wohl aber jedes Kaufhaus und jeder Supermarkt.
Erstmal überquere ich eine Kreuzung auf gut Glück und laufe dabei doch gleich einem Zettelverteiler von Trommelwirbel Big Kamera in die Arme. Der wird natürlich sofort befragt und kann mir nach einem anfänglichen Schock (Eine Ausländerin guckt mich an, sie spricht mich an, sie tut dies in Japanisch) auch eine tolle Wegbeschreibung liefern. Japaner sind gut im Weg beschreiben, jedenfalls leite ich diese These aus der Schnittmenge der von mir dahingehend geprüften Japaner ab. Und das waren nicht gerade wenige bisher.
In Big Kamera angekommen nehme ich auf jeder Etage mehrere Mitarbeiter in Beschlag, die mir helfen sollten. Wohlweißlich habe ich alle problematischen Kabel dabei und kann sie aus dem Hut zaubern, wann immer jemand sich mit der Frage nach mehr Informationen aus der Affäre ziehen will.
Zumeist läuft das so ab: Ich betrete eine Etage, stelle mich demonstrativ in die gefühlte Mitte der aufgebauten Regale und mache das Gaijin-Gesicht. Das Gaijin Gesicht ist ein über Jahrhunderte praktizierter und überlieferter Gesichtsausdruck ortsunkundiger Reisender, die auf Hilfe von Einheimischen hoffen. Es besteht aus unsicher zusammengekniffenen Augen, einer seitlichen Schräglage des Kopfes (auch Welpenknick genannt) und einem in der Andeutung von Konzentration halb offen stehenden Mund. Außerdem ist es hilfreich, dabei generell so hilflos und mitleidseregend wie nur möglich auszusehen.
Als sich nun einer der anwesenden Angestellten meiner erbarmt, erklärte ich ihm mein Problem und krame rein prophylaktisch schon einmal meinen Kabelsalat hervor. Nachdem sich besagter Mitarbeiter dann von dem Schock erholt hat, dass ich mein Problem relativ gut und konkret auf Japanisch beschreiben kann, nimmt er mit 2 Verbeugungen meine Kabel an sich und verschwindet Gottweißwohin, um Nachforschungen anzustellen.
Das Ergebnis: Ich bin um einen Fön, ein japanisches Ladekabel für meine Kamera, einen Stromwandler in die richtige Richtung und einen Wecker reicher. (Ich hatte am Tag der Abreise leider den falschen, schon Jahrzehnte alten Wecker gegriffen, dessen Alarm sich nicht mehr einstellen lässt)
Doch, allein das Netbook Ladekabel gib es nicht. Meine Version des Eee PC wird in Japan nämlich nicht verkauft. Also gilt es zu hoffen, dass nicht das Ladekabel selbst, sondern der Stromwandler kaputt ist, und ich verlasse Big Kamera um mehr Yen ärmer, als ich mir in dem Moment ausrechnen will.
Wenig später finde ich eine Treppe, die scheinbar, zwischen Big Kamera und dem Bahnhof, direkt in den Himmel führt. Also erklimme ich an die 5 Stockwerke von Treppenstufen, und stehe schließlich laut schnaufend auf dem Dach des Bahnhofs. Da gibt es einen langen Gang, von dem aus man über die meisten angrenzenden Neubauten hinweg bis zu den Bergen sehen kann. Schön, und sogar etwas schattig.
Am Ende des Gangs stehe ich plötzlich auf einer großen Plattform und inmitten einer Hawaii Tanzaufführung. Jung und alt, Männer und Frauen, bewegen sich zu entspannender Musik im Takt. Sachen gibt’s hier auf den Dächern. Bereits entlang des Weges waren mir zwei Männer aufgefallen, die sich in voller Konzentration ohne Musik bewegten. Anscheinend in Vorbereitung auf ihren Auftritt.
Den Rückweg trete ich schließlich durch das Innere des Bahnhofs an, oder besser durch das Einkaufszentrum mit gelegentlicher Zugabfahrt. Etwas ermattet sitze ich dann erstmal für eine halbe Stunde an den Rolltreppen und schaue mir die Japaner um mich rum an. Heute habe ich nun wirklich gar keinen Ausländer getroffen. Mit einer kalten Flasche Tee versuche ich die Rückfahrt und die damit verbundene Stunde der Wahrheit (Netbook geht oder geht nicht) herauszuzögern und beobachte eine junge japanische Familie mit 3 Kindern. Nein, die sind so drollig! Ein Baby, eins gerade so im Laufalter und ein Mädchen von vielleicht 4 Jahren. Als dann die kleine Familie weiter zieht, und Papa sich nicht nur das Baby umschnallt, sondern auch noch die älteste Tochter an die Hand nimmt, da scheint wenigstens für einen kurzen Moment wirklich alles in Ordnung zu sein. Also habe ich mich zurück nach Hause aufgemacht und kann jetzt mit Beruhigung feststellen, dass alles wieder funktioniert. Nur das Haushaltsbuch muss ich noch schreiben, aber erst später.
Morgen soll es wohl Gewittern und Regnen. Naja, vielleicht schreibe ich dann morgen hoffentlich die letzte ausstehende Hausarbeit fertig.
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AntwortenLöschenIch hoffe sehr, dass Dein Netbook jetzt keinen größeren Ärger mehr macht. Skype läuft und Du kannst Dich zu Hause melden *cheer*
AntwortenLöschenWenn doch noch etwas ist, einfach melden.
Hi!
AntwortenLöschenHeh, lucky, du hast Japnerinnen in deinem Wohnheim? Ich glaube, ich bin zwecks Rassentrennung Ausländermäßig segregiert. XD Hoffe, dass das mit deinem Netbook klappt, ich bin jedenfalls paranoid und nehme sowohl Laptop als AUCH Netbook mit!!!! D.h, wenn ich Kinskis HA je fertig bekomme...>.>
Hier gewittert's jedenfalls auch gerade und ich bin krank. :( Aber du schaffst das!
Und den nächsten Hawaii-Tänzern schlägst du den Hide Penis Dance stattdessen vor!
Lg,
Britt :)
Die Schildkrötenbrücke ist wirklich lustig. Und den Kleinen scheinst auch Spaß zu machen. Bei den Auslagen des Restaurants kommen Erinnerungen auf, mmm!
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