Dienstag, 13. September 2011

Heben Sie ihre Hand, wenn Sie etwas nicht verstehen


Ich.bin.müde. Und zwar nicht Jetlack-müde, sondern wirklich ausgelaugt. Heute haben wir den Einstufungstest und sollen um 9:30 Uhr auf dem Campus sein. Im Eingang halte ich noch einen kleinen Plausch mit unserer Hausmutter, und Sie versucht meine Stimmung mit ein paar witzigen Anektoten aufzuheitern. Sie erzählt mir von rasenden Fahrradomis, die vom Wind gebeutelt nur noch Schlangellinien fahren können und bereichert diese Geschichte mit einer schönen dermatologischen Darstellung. Da hebt sich meine Laune doch gleich ein bisschen. Mit Emily zusammen geht es dann auf in Richtung Campus, auf dessen Weg wir prompt in die falsche Einfahrt abbiegen. So landen wir nicht auf dem Zielcampus sondern im Dôshisha College of Liberal Arts. Der Fehler wird aber schnell von einem der freundlichen Wachmänner korrigiert und wir finden (einmal auf dem richtigen Campus angekommen) relativ schnell das passende Gebäude.

Die Tische im Zimmer teilen jedem Austauschschüler einen speziellen Platz zu, und ich wandere erstmal planlos durch die Reihen, weil mir das System der Beschriftung (da ist 115501, daneben ist 115701, und dann kommt 11505...) einfach nicht einleuchten will. Schließlich auf dem richtigen Platz angekommen, sitzt neben mir Hanji, eine Koreanerin aus meinem Wohnheim. Gut, da fühlt man sich doch gleich nicht mehr ganz so allein. Der Test beginnt wenige Minuten später. Es sind praktisch Passagen aus dem JLPT, aus der alten Stufe 4,3,2 und 1. Die Fragen werden immer schwerer, sodass man irgendwann aus Zeit- und/oder Wissensnot das Handtuch wirft. Bei mir ist es ein Mix aus beidem. Irgendwann bei den Fragen zur 2ten und 3ten Stufe sind einfach die 70 Minuten um und mein Kopf schwirrt vor lauter A,B,C,D. Das Schlimme an mutible Choice Aufgaben ist nicht nur, dass man versucht ist, manche Lücken mit mehreren Antworten zu versehen, sondern auch, dass man bei 2x der Antwort (C) hintereinander sofort einen Fehler vermutet.

Doch nach einer Weile fallen mir die Antworten wieder etwas leichter, denn ich habe mich ja schon einmal durch das volle Programm des JLPT gequält. Und Kanji werden auch keine abgefragt, nur Grammatik (deswegen wird es noch peinlicher, wenn sie mich in eine Anfängergruppe einordnen). In der Cafeteria kann ich dann zum ersten Mal wieder Omuraisu essen, praktisch eine Portion Reis versetzt mit Tomatenmark, Gemüse und Fleischstücken, eingeschlagen in ein Omelett. Lecker! Und billig! Außerdem gibt es kostenloses, eingekühltes Wasser.

In der Pause mache ich mich mit Emily auf den Weg zu einem Gebrauchtfahrradhändler. Die Wegbeschreibung hat mir gestern noch Yoshimi gezeichnet. Dort gibt es ein gebrauchtes Fahrrad für 5800 Yen. Ich denke, das wird morgen den Besitzer wechseln.

Die weitere Orientation am Nachmittag fängt sehr gut an. Ein Mitglied der christlichen Fachrichtung erklärt etwas zur Geschichte der Dôshisha Universität. Soweit sind alle Ansagen auf Japanisch passiert. Auch er spricht Japanisch, dafür aber klar verständlich und ausländerfreundlich langsam. Seine Rede ist wirklich toll, vor allem, als er betont, dass es der Dôshishauniversität nicht darum geht, jeden Studenten zu bekehren (mit Grausen wird sich an die Seinan Schule in Fukuoka erinnert), sondern den Studenten neue, unterschiedliche Erfahrungen zu bieten, um ihre Zukunft besser gestalten zu können. Ausdrücklich sagt er sogar noch am Ende: Es ist egal, ob ihr in ein paar Jahren Christen werdet, Buddhisten, Moslems oder gar keiner Religion angehört. Das interessiert nicht. Wichtig ist nur, dass ihr neue Erfahrungen macht und später freie Entscheidungen für euch selbst treffen könnt. Ein toller Mann.

Leider geht die Veranstaltung nicht so weiter. Eine Japanerin macht uns auf eine große Tasche mit unendlichen vielen bunten, bedruckten Papierseiten, Heften und Büchern aufmerksam, die jeder von uns vor dem Tisch stehen hat. Sie nimmt ein Blatt heraus, erklärt den Inhalt auf Japanisch und geht zum nächsten über. Dazwischen gibt es einen kurzen englischen Satz, der meist so rein garnichts erklärt. Ich sehe Hanji neben mir einnicken, und kämpfe selber krampfhaft gegen die Müdigkeit.

Irgendwie sind alle bunten Blätter wichtig, doch nachdem sie in einem Nebensatz erklärt, dass jeder von uns morgen einen japanischen Volontär an die Seite bekommt, der uns alle diese Sachen zeigen und erklären soll, wird die Veranstaltung noch sinnloser. Aber irgendwann ist Schluss.

Ich kaufe eine japanische Wäschespinne (pink), eine Klobürste (zartrosa), einen Wischmopp in Form eines blauen Hundes (da bekommt der Begriff Fußhupe doch eine ganz neue Bedeutung) und ein paar Magnete (rosa mit Glitzer, weil... ist halt so). Wir dürfen nämlich bei uns im Wohnheim nichts an die Wand kleben, NICHTS... NIRGENS, also bleibt nur der magnetische Kühlschrank und die magnetische Tür.

Auf dem Rückweg wird ein weitere Supermarkt inspiziert und ein bisschen Tiefkühlkost eingekauft. Am Abend bediene ich zum ersten Mal den Reiskocher, oder wie ich ihn nenne: Heißes, brodelndes Teufelsding aus der Hölle. Wirklich, das erste Mal habe ich mich am Wasserdampf verbrannt, der an den Seiten in die Luft stieg. Am Wasserdampf! Das zweite Mal, als ich kurz mit einem Finger an die Innenwand des Reiskochers kam. Und das dritte Mal, als ich meine eigene Reisschüssel anfassen wollte. Böses, doofes Ding. Aber ich habe meine Lektion gelernt. Nachdem es an ist, nähere ich mich dem Ding nicht mehr als 10 Schritte. Basta.

Beim Essen treffe ich dann ein Mädchen aus Singapur, mit der es sich auch super schwatzen lässt. Nach all dem Japanisch und anstrengenden Test, ist so etwas englische Konversation wirklich erholsam. Als letztes bekomme ich die Zeit für mein morgiges Interview mitgeteilt. Jeweils zwei Personen werden zusammen geprüft, und ich bin gegen 10 Uhr dran. Das heißt, vorher noch zur Post und das erste Mal Geld abheben. Es ist so frustrierend.

Heute gibt es keine neuen Bilder, aber hoffentlich morgen dann eine kleine virtuelle Tour vom Campus für alle.

1 Kommentar:

  1. Die blaue Fußhupe möchte ich unbedingt sehen (Foto). Das Paket ist heute rausgegangen. 9,95 kg (10 sind die Grenze für den Tarif.)Mussten es nach dem ersten Zukleben nochmal aufmachen, weil plötzlich der Bademantel noch draußen lag. Aber dann war alles drin. Mal sehen wann es bei dir ankommt. Gruß Mutti

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