Sonntag, 13. Mai 2012

Nombetsu-date


Ich habe einen Berg bestiegen. Zwar nicht den zunächst geplanten Vulkan, doch ich habe es geschafft. Die Busfahrt zum See ist ereignislos. Ich komme an, steige zum See hinunter und beschließe mit einem Blick, dass mich keine 10 Pferde in eines der gräußlichen Schwanentretboote kriegen. Zumindest nicht heute. Außerdem gibt es ja einen Berg zu bezwingen.

Nachdem die Touristeninformation gefunden ist, rückt dieses Ziel jedoch in weite Ferne. Der Weg auf den Vulkan hinauf ist nämlich gesperrt. Warum? Die Angestellte druckst zunächst herum, und gesteht schließlich, dass ein Mitarbeiter vor zwei Wochen dort von einem Bären angefallen wurde. Nun frage ich mich schon, ob sie immer noch die Blutspuren beseitigen, oder erst einmal Gras über die Sache wachsen lassen wollen, bevor neue Beuteti… ich meine Wanderer auf den Vulkan gelassen werden. Bär hin, Fahrrad her, auf diesen Berg führt heute kein Weg. Auch die Mooshöhle ist bis Mitte Juni geschlossen. So langsam nervt mich dieses Naturschutzgebiet.

Etwas zerknirscht frage ich, ob es heute einen erreichbaren Berg gebe, der nicht gesperrt sei. Die Dame überlegt kurz, und verweist mich schließlich an Nombetsu-date. Dieser Berg wäre zwar steiler als Tarumae und die Aufstieg um einiges länger, doch durchaus in zwei Stunden zu schaffen. Ich überlege kurz, und beschließe, dass irgendein Berg besser als gar kein Berg ist. Was soll’s, wenn der Weg bis zur Spitze doppelt so lang ist wie der von Tarumae, und um einiges steiler sein soll. Wie schlimm kann es schon werden?

Nach ein paar 100 Höhenmetern habe ich meine Antwort. Ich habe keinerlei Kondition und meine letzte Bergwanderung ist inzwischen 6 Jahre her. Wenn ich auf dem Weg nach oben sterbe, denke ich irgendwann trotzig, dann sollten sie wenigstens einen Teil des Weges nach mir benennen. „Der röchelnde Gaijin“ oder so. Dann überholt mich auch noch eine rüstige Rentnerin an die 70 nach 3 Kilometern. Das motiviert mich natürlich immens. Außerdem lese ich zunächst die Schilder am Wegesrand völlig falsch. Ich denke, die obere Zahl ist die Gesamtlänge der Strecke, und die untere Zahl mein zurückgelegter Weg. Aber nein, als ich mich schon fast am Gipfel wähne, obere Zahl 2448 und untere Zahl 2400, wird mir plötzlich klar, dass die obere Zahl meine noch verbleibende Strecke anzeigt. Also bin ich gerade mal bei 50%. Im Rückblick ist dieser Fehler vielleicht sogar meine Rettung gewesen, sonst hätte ich schon viel früher aufgegeben.

Mir kommen immer mal wieder ein paar Herren entgegen, die sich durch ihre klimpernden Glöckchen ankündigen. Anscheinend um Bären zu verschrecken. Also, wenn ich so ein Bär wäre, dann hätte ich doch irgendwann raus, dass Glockenklimbim bedeutet, die Beute ist im Anmarsch. Nach 3,5km hätte ich den Bär aber wahrscheinlich nicht mal mehr gesehen, so angestrengt starre ich auf meine Füße um schön brav einen vor den anderen zu setzen. Zu der Zeit geht mir dann auch das Wasser aus. Aber der Gipfel ist ja nicht mehr weit, und da oben wird es doch irgendwas geben.

Fehlanzeige. Ich stehe schlussendlich völlig fertig auf dem Gipfel, und finde mich in Begleitung der älteren Frau zwischen riesigen Antennen wieder. Sonst gibt es hier oben nichts. Garnichts. Also mache ich mich relativ schnell wieder an den Abstieg. Man beachte, dass die Fotos vom Abstieg viel bessere Motive haben als die vom Aufstieg. Da suchte ich nämlich eigentlich nur nach einer Ausrede, für ein paar Sekunden stehen zu bleiben. Habe ich schon erwähnt, dass ich völlig und absolut unsportlich bin?

Zurück im Touristendorf setze ich mich mit einem Eis und einem grünen Tee an den See. Und bemerke, dass ich mir diesmal das Gesicht völlig verbrannt habe. Und es ist Sonntag, also hat in Chitose nichts auf. Ich finde schließlich in einem 7/11 Nivea Creme und eine neue Sonnencreme, LSF 50 Superblock mit Weißgarantie. Na mal sehen, was das morgen wird. Ich werde wahrscheinlich trotzdem nochmal zum Shikotsuko fahren, um mit einem der hässlichen Tretboote über den See zu fahren. Chitose deprimiert mich selbst bei blauem Himmel.

Ein Gruß hiermit an meinen super sportlichen und sowieso topfitten Bruder. Du hast bei diesem Eintrag bestimmt herzlich lachen können. Ich weiß, ihr hättet mich in Peru wahrscheinlich nach ein paar Stunden sterbend am Wegrand zurückgelassen. ;)

1 Kommentar:

  1. Schöne Grüße zurück ;-)
    Aber glaub mir ich kenne dein Leid! Irgendwann hat man das Berg-hoch-Laufen richtig satt.
    Aber schon ein schönes Gefühl, wenn man oben ist oder?

    LSF 50 ist ja quasi Alufolie in Tuben oder?

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