Wie bereits durch den Wetterbericht angekündigt, ist es
heute schwül und heiß und die Wolken ballen sich unheilverkündend über der
Stadt zusammen. Doch, getreu meinem mathematisch einwandfreien Mottos: „60%
sind nicht 100% Regenwahrscheinlichkeit“, mache ich mich ohne einen Schirm zu
kaufen auf den Weg.
Als erstes geht es zum Port Tower, damit der
Höhenambivalente Teil meiner Reise ein baldiges Ende hat. Es geht wie immer mit
einem Fahrstuhl nach oben. Ich bin die erste im Kasten, und werde von einer
Gruppe hereinströmender Japaner flach gegen die Rückwand gedrückt. Das wäre ja
an sich noch kein Problem, wenn sich dies nicht als Glaswand mit Blick zwischen
den Stahlträgern des Turms entpuppt hätte. Doch mit den ganzen Leuten im Aufzug
kann ich mich noch nicht mal umdrehen. Hölle! Oben mache ich dann schnell ein
paar Fotos, bewundere die aufgereihten Schlösser (Kôbe ist eine Honey Moon
Stadt. Die Neuverheirateten kommen her, schreiben ihre Namen auf das Schloss
und hängen es oben im Turm auf), und mache mich danach so schnell es geht
wieder an den Abstieg.
Kaum verlasse ich den Tower, fängt es nicht nur an zu
Donnern und zu Blitzen, nein, es regnet auch noch wie aus Kannen. Schnell wird
also im nächsten Konbini ein Regenschirm besorgt, und es geht weiter. Die
nächste Station in unmittelbarer Nähe heißt TenxTen. Ein großes Lagerhaus, in
dem sich lokale Künstler angesiedelt haben sollen. Doch anscheinend ist für
lokale Künstler 10 Uhr noch zu früh, denn ich treffe kaum jemanden. Auch die
meisten Räume sind verlassen. Eine Enttäuschung. Merke: Künstler sind keine
Frühaufsteher.
Durch Regen und Donner geht es weiter zum Perlen Museum.
Kôbe wird auch als Die Stadt der Perlen bezeichnet. Obwohl hier keine Perlen
gezüchtet wurden, ist Kôbe bis heute nicht nur Umschlagplatz für den
japanischen Perlenexport, sondern auch Standort der Perlenveredelung. Um 1900 fand
ein arbeitsloser Kaufmann in Kôbe eine Methode, um Perlen mit Unreinheiten oder
Flecken von selbigen zu befreien. Seine Methode wurde in ganz Japan bekannt,
und Perlenfarmer schickten ihm immer mehr ihrer Ware zur Bearbeitung. Der
clevere Herr machte daraus nicht nur seinen Beruf, sondern setzte sich selbst
auch als Perlenhändler ein. Besonders der Vertrieb ins Ausland war ihm wichtig.
So wurde Kôbe zum internationalen Umschlaghafen für Perlen, und wenig später
auch zum ersten Perlen-Qualitätskontrollpunkt in Japan. Die Perlen sind
wirklich hübsch, aber soweit außerhalb meines Budgets, dass es schon fast
lachhaft ist.
Der Himmel klart gegen Mittag zum Glück wieder auf, sodass
ich bei bestem Sonnenschein und mollig warmen 26 Grad durch Nankin Machi, das
Chinatown von Kôbe, schlendern kann. Dort esse ich Früchte am Spieß, ein
kleines Schweinmanju und ganz leckeres Erdbeereis. Außerdem lasse ich mich
neben einem riesigen, fetten Hasen fotografieren. Sowas macht einen schlanken
Fuß ;)
Nachdem auch das letzte bisschen Eis vertilgt ist, steht
eigentlich eine weitere Tour durch Kôbes Schreinanlagen an. Doch auf halber
Strecke kreuzen plötzlich zwei Stelzenläufer meinen Weg. Zunächst folge ich
denen nur, um endlich eine Frontalaufnahme zu bekommen. Wenig später stellt
sich aber heraus, dass es sich um ein vollständiges Schauspiel handelt,
inklusive nackter alter Männer, Zuschauer erschrecken und Kinder zum Weinen
bringen. Ich habe unglaublich viel Spaß dabei, und für den Rest des Tages „Those
were the days my friend.“ als Ohrwurm. Für mich ist interessant, wie sehr die
Schauspieler mit den Zuschauern spielen. Besonders der ältere Herr macht sich
einen Spaß daraus, die anwesenden Schüler mit großer Klappe gehörig zu
erschrecken. Auch die Frauen sind eindrucksvoll. Nur die Kamerafutzis, die
ihnen immer mal wieder gehörig auf die Pelle rücken, sind nervend. Ich weiß,
wie ein Zoom funktioniert. Warum können die ihn mit ihren riesigen Kameras
nicht auch benutzen?
Nach der gelungen Darbietung darf ich mal wieder etliche
Stufen zu einem Schrein raufsteigen. Es scheint ja überhaupt meine Lieblingsbeschäftig
zu sein, Berge zu erklimmen. Nein, wie sehr mich das auch immer wieder freut. Oben
angekommen wird klar, Kôbe hat das mit der Honey Moon Stadt wirklich
verinnerlicht. Überall gibt es Liebes-Anhänger, Liebestafeln, Liebesbier und
was weiß ich nicht alles. Liebesboten dieses Schreins sind übrigens ein rosa
Koi und eine Kuh. Merke: Es muss nicht immer der fette Babyengel sein.
Der Weg zurück ins
Tal führt mich nicht nur vorbei an einem indischen Tempel, sondern auch einem
Souvinirladen mit besonders süßem Gebäck. So langsam kann ich ja auch Essbares
für die Daheimgeblieben mitnehmen. Die Verkäuferin ist ein echtes Unikat. Kaum
habe ich meinen ersten japanischen Satz von mir gegeben, plappert sie wie ein
Wasserfall auf mich ein. Also, die Frau nimmt wirklich kein Blatt vor dem Mund
und spricht in einer solchen Geschwindigkeit, dass ich keinerlei Zeit zum
Nachdenken habe. Frage! Antwort! Frage! Antwort! Kopfnicken! Wuttriade auf den
Neffen! Und wiedermal endet das Gespräch mit folgendem Satz: Mädchen, du kannst
Japanisch und hast weiße Haut. Such dir einen japanischen Ehemann, dann musst
du dich nicht mehr um das Visa sorgen! Ja doch, ich hab’s langsam verstanden.
Am Abend besinne ich mich dann darauf, dass Kôbe neben Perlen
und westlichen Gebäuden auch noch für eine andere Sache weltberühmt ist.
Kôberind. Ich suche mir also eine nette, kleine Gaststätte, nehme ein kleines
Vermögen aus meiner Reisekasse in die Hand, und esse Kôbe Rind. Hach, das ist
schon was ganz anderes. Was ganz, ganz anderes.
Der alte weiße Mann ist ja wirklich gruslig! Da hätte ich mich auch erschreckt.
AntwortenLöschenReich mal ein kleines Stück von dem leckeren Kobe-Rind durch den Bildschirm! Mir tropft der Zahn! Bei uns gab`s heute vegetarische Grünkernbratlinge, brr!
Da waren ja eine ganze Reihe seltsamer Bilder dabei.
AntwortenLöschenDas Stück sah recht modern aus, und so den ein oder anderen Sadako-Moment hatte ich auch.
Was hat den Sherlock Holmes in Kobe verloren? Löse das Rätsel auf?
Wenn wir schon beim Abendbrot sind: Shawarma-Sandwich aus so einem Laden in Kreuzberg, bei dem die Karte in mysteriöser Schrift verfasst war und ich daher keine Ahnung habe, was ich wirklich gegessen habe. Aber sehr lecker.