Dienstag, 29. Mai 2012

Kôbe 2.0


Wie bereits durch den Wetterbericht angekündigt, ist es heute schwül und heiß und die Wolken ballen sich unheilverkündend über der Stadt zusammen. Doch, getreu meinem mathematisch einwandfreien Mottos: „60% sind nicht 100% Regenwahrscheinlichkeit“, mache ich mich ohne einen Schirm zu kaufen auf den Weg.

Als erstes geht es zum Port Tower, damit der Höhenambivalente Teil meiner Reise ein baldiges Ende hat. Es geht wie immer mit einem Fahrstuhl nach oben. Ich bin die erste im Kasten, und werde von einer Gruppe hereinströmender Japaner flach gegen die Rückwand gedrückt. Das wäre ja an sich noch kein Problem, wenn sich dies nicht als Glaswand mit Blick zwischen den Stahlträgern des Turms entpuppt hätte. Doch mit den ganzen Leuten im Aufzug kann ich mich noch nicht mal umdrehen. Hölle! Oben mache ich dann schnell ein paar Fotos, bewundere die aufgereihten Schlösser (Kôbe ist eine Honey Moon Stadt. Die Neuverheirateten kommen her, schreiben ihre Namen auf das Schloss und hängen es oben im Turm auf), und mache mich danach so schnell es geht wieder an den Abstieg.

Kaum verlasse ich den Tower, fängt es nicht nur an zu Donnern und zu Blitzen, nein, es regnet auch noch wie aus Kannen. Schnell wird also im nächsten Konbini ein Regenschirm besorgt, und es geht weiter. Die nächste Station in unmittelbarer Nähe heißt TenxTen. Ein großes Lagerhaus, in dem sich lokale Künstler angesiedelt haben sollen. Doch anscheinend ist für lokale Künstler 10 Uhr noch zu früh, denn ich treffe kaum jemanden. Auch die meisten Räume sind verlassen. Eine Enttäuschung. Merke: Künstler sind keine Frühaufsteher.

Durch Regen und Donner geht es weiter zum Perlen Museum. Kôbe wird auch als Die Stadt der Perlen bezeichnet. Obwohl hier keine Perlen gezüchtet wurden, ist Kôbe bis heute nicht nur Umschlagplatz für den japanischen Perlenexport, sondern auch Standort der Perlenveredelung. Um 1900 fand ein arbeitsloser Kaufmann in Kôbe eine Methode, um Perlen mit Unreinheiten oder Flecken von selbigen zu befreien. Seine Methode wurde in ganz Japan bekannt, und Perlenfarmer schickten ihm immer mehr ihrer Ware zur Bearbeitung. Der clevere Herr machte daraus nicht nur seinen Beruf, sondern setzte sich selbst auch als Perlenhändler ein. Besonders der Vertrieb ins Ausland war ihm wichtig. So wurde Kôbe zum internationalen Umschlaghafen für Perlen, und wenig später auch zum ersten Perlen-Qualitätskontrollpunkt in Japan. Die Perlen sind wirklich hübsch, aber soweit außerhalb meines Budgets, dass es schon fast lachhaft ist.

Der Himmel klart gegen Mittag zum Glück wieder auf, sodass ich bei bestem Sonnenschein und mollig warmen 26 Grad durch Nankin Machi, das Chinatown von Kôbe, schlendern kann. Dort esse ich Früchte am Spieß, ein kleines Schweinmanju und ganz leckeres Erdbeereis. Außerdem lasse ich mich neben einem riesigen, fetten Hasen fotografieren. Sowas macht einen schlanken Fuß ;)

Nachdem auch das letzte bisschen Eis vertilgt ist, steht eigentlich eine weitere Tour durch Kôbes Schreinanlagen an. Doch auf halber Strecke kreuzen plötzlich zwei Stelzenläufer meinen Weg. Zunächst folge ich denen nur, um endlich eine Frontalaufnahme zu bekommen. Wenig später stellt sich aber heraus, dass es sich um ein vollständiges Schauspiel handelt, inklusive nackter alter Männer, Zuschauer erschrecken und Kinder zum Weinen bringen. Ich habe unglaublich viel Spaß dabei, und für den Rest des Tages „Those were the days my friend.“ als Ohrwurm. Für mich ist interessant, wie sehr die Schauspieler mit den Zuschauern spielen. Besonders der ältere Herr macht sich einen Spaß daraus, die anwesenden Schüler mit großer Klappe gehörig zu erschrecken. Auch die Frauen sind eindrucksvoll. Nur die Kamerafutzis, die ihnen immer mal wieder gehörig auf die Pelle rücken, sind nervend. Ich weiß, wie ein Zoom funktioniert. Warum können die ihn mit ihren riesigen Kameras nicht auch benutzen?

Nach der gelungen Darbietung darf ich mal wieder etliche Stufen zu einem Schrein raufsteigen. Es scheint ja überhaupt meine Lieblingsbeschäftig zu sein, Berge zu erklimmen. Nein, wie sehr mich das auch immer wieder freut. Oben angekommen wird klar, Kôbe hat das mit der Honey Moon Stadt wirklich verinnerlicht. Überall gibt es Liebes-Anhänger, Liebestafeln, Liebesbier und was weiß ich nicht alles. Liebesboten dieses Schreins sind übrigens ein rosa Koi und eine Kuh. Merke: Es muss nicht immer der fette Babyengel sein.

 Der Weg zurück ins Tal führt mich nicht nur vorbei an einem indischen Tempel, sondern auch einem Souvinirladen mit besonders süßem Gebäck. So langsam kann ich ja auch Essbares für die Daheimgeblieben mitnehmen. Die Verkäuferin ist ein echtes Unikat. Kaum habe ich meinen ersten japanischen Satz von mir gegeben, plappert sie wie ein Wasserfall auf mich ein. Also, die Frau nimmt wirklich kein Blatt vor dem Mund und spricht in einer solchen Geschwindigkeit, dass ich keinerlei Zeit zum Nachdenken habe. Frage! Antwort! Frage! Antwort! Kopfnicken! Wuttriade auf den Neffen! Und wiedermal endet das Gespräch mit folgendem Satz: Mädchen, du kannst Japanisch und hast weiße Haut. Such dir einen japanischen Ehemann, dann musst du dich nicht mehr um das Visa sorgen! Ja doch, ich hab’s langsam verstanden.

Am Abend besinne ich mich dann darauf, dass Kôbe neben Perlen und westlichen Gebäuden auch noch für eine andere Sache weltberühmt ist. Kôberind. Ich suche mir also eine nette, kleine Gaststätte, nehme ein kleines Vermögen aus meiner Reisekasse in die Hand, und esse Kôbe Rind. Hach, das ist schon was ganz anderes. Was ganz, ganz anderes.  

2 Kommentare:

  1. Der alte weiße Mann ist ja wirklich gruslig! Da hätte ich mich auch erschreckt.
    Reich mal ein kleines Stück von dem leckeren Kobe-Rind durch den Bildschirm! Mir tropft der Zahn! Bei uns gab`s heute vegetarische Grünkernbratlinge, brr!

    AntwortenLöschen
  2. Da waren ja eine ganze Reihe seltsamer Bilder dabei.

    Das Stück sah recht modern aus, und so den ein oder anderen Sadako-Moment hatte ich auch.

    Was hat den Sherlock Holmes in Kobe verloren? Löse das Rätsel auf?

    Wenn wir schon beim Abendbrot sind: Shawarma-Sandwich aus so einem Laden in Kreuzberg, bei dem die Karte in mysteriöser Schrift verfasst war und ich daher keine Ahnung habe, was ich wirklich gegessen habe. Aber sehr lecker.

    AntwortenLöschen