Manchmal bin ich mir selbst nicht ganz sicher, wie sich um mich herum immer eins zum anderen findet. Manchmal ist das sogar ziemlich erschreckend. Die Vorlesungen heute waren gut. Zunächst die Schreibvorlesung, in der wir eine kurze Beschreibung eines Bildes geben mussten, das unser Partner dann nur anhand dieser Beschreibung zeichnen sollte. Ich hatte ein McDonalds Menü. Hat alles ganz gut geklappt, bis ich wieder mit unserem Lehrerliebling in eine Gruppe gesteckt wurde. Ich kenne ihn erst seit 4 Tagen, aber … sagen wir es mal so: Er sollte mir nicht allein in einer dunklen Gasse begegnen.
Beim nachfolgenden Grammatikkurs scheinen dann einige meine Meinung geteilt zu haben, denn plötzlich – oh Wunder – ist die erste Reihe besetzt und er muss sich leider mit einem Außenplatz begnügen. Die Stunde wird super und vor allem lustig. Unsere Lehrerin erzählt von ihrem Leben in Ôsaka und spart auch nicht mit lustigen Anekdoten von ihren Kindern. Eine andere Geschichte hat mir aber noch besser gefallen:
Anscheinend hat Bill Clinton kurz nach dem Bekanntwerden seiner Affäre einen Trip nach Japan unternommen und sich in Ôsaka einem Live TV Interview gestellt. Wahrscheinlich haben ihm seine Berater versichert, dass „die Japaner“ ja viel zu höflich wären, ihn nach seinem Privatleben zu fragen. Jedenfalls schlägt er sich wacker, und die Fragen bleiben der Erwartung entsprechend seicht. Doch dann, steht eine gutmütige alte Dame, adrett frisiert im Kimono, auf und die Kamera schwenkt zu ihr. Natürlich, alte Dame im Kimono, das macht Eindruck und Quote, denken die Kameraleute und lassen sie eine Frage stellen. Was fragt diese nette ältere Dame?
„Was haben Sie ihrer Frau erzählt, dass sie sich nicht hat von Ihnen scheiden lassen?“ Clinton wird vor laufender Live Kamera rot, fängt an zu schwitzen und stammelt irgendwas vor sich hin. Die Leute im Publikum sind geschockt, den Fernsehmachern im Studio fällt das Lächeln aus dem Gesicht und vor den Fernsehern in ganz Japan spucken prustend Leute in ihre Morgensuppe. Das Interview geht um die Welt, und die ältere Frau – anscheinend eine typische Vertreterin der Ôsaka no Obaachan – wird von internationalen Reportern interviewt. Nun muss ich diesen Clip nur noch auf Youtube finden.
Danach sitze ich mit einigen Ausländern zusammen in der Mensa und mampfe glücklich mein erstes warmes Essen diese Woche. Mit uns am Tisch sitzen zwei Japanerinnen, die etwas Ganguu-mäßig aussehen, aber sehr großes Interesse an meiner Gummibärentüte zu haben scheinen. Sofort wird ihnen ein Päckchen angeboten und wir haben einen netten Plausch. Außerdem diesmal nach langer Abstinenz wieder ein Foto.
Danach geht es los, mit dem Fahrrad zu einem nahegelegenen Campus, wo ich mich mit der Deutschlehrerin treffen soll. Ich bin mir 100% sicher, dass sie in ihrer Mail von 1:30 und dem Haupttor des Campus gesprochen hat. Ich komme an und warte. Es wird 1:20 Uhr... es wird 1:30 Uhr... und schließlich 1:40 Uhr, als ich langsam aber sicher nervös werde. Zunächst wird nach anderen Eingängen gesucht. Doch so wirklich will sich da keiner auftun. Ich werde schließlich panisch und frage eine kleine Gruppe japanischer Studenten, ob es denn noch andere Eingänge gäbe.
Etwas perplex folge ich wenige Augenblicke später, als die gesamte Gruppe aufspringt und sich mit mir auf die Suche begibt. Wir laufen einmal rund um den Campus, inspizieren jeden noch so winzigen Eingang, doch nirgends ist ein wartender Ausländer zu sehen. Die Gruppe ist bei bester Laune, scherzt und beruhigt, während ich wirklich ein ungutes Gefühl bekomme. Wie peinlich, mein erstes Treffen, und ich bin am falschen Ort/komme zu spät. In unserem Unwissen bringen sie mich schließlich in den Computerraum, wo ich nochmal die Mail mit Uhrzeit und Ort aufrufe.
Ähm... ja... also... was soll ich sagen? Da blinkt mich plötzlich, aus heiterem Himmel und völlig gemein 14:30 Uhr als verabredete Zeit an. Ich möchte im Boden versinken und die lieben Japaner, die mir so toll und lange geholfen haben, um Verzeihung bitten. Was müssen die jetzt bloß von mir denken? Was passiert? Ich kläre die Lage kleinlaut auf, die Gruppe lacht schallend und versichert mir, dass sie eine tolle Zeit hatten, und einige verabschieden sich mit den besten Wünschen für mein „baldiges“ Treffen.
Drei Studenten bleiben zurück, und wir machen es uns im Hof gemütlich. Ich entschuldige mich noch einige Male, wir lachen gemeinsam über mein Missgeschick und kommen ins Gespräch. Alle drei studieren auf Lehramt, und einer hat in seinem Fachgebiet Geschichte sich länger mit Deutschland befasst. Ein andere lernt Französisch und das Mädchen macht sich daran meine Handy-Mail-Adresse zu kopieren. Wir lachen und die Zeit vergeht wirklich wie im Flug. Fast bin ich schon froh, wieder mal völlig verplant zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Wenn auch nur einer der heutigen Kontakte Bestand hat, dann war das doch ein voller Erfolg.
Pünktlich um 14:25 Uhr kommt die Lehrerin in den Hof. Sie heißt ebenfalls Bettina und erklärt mir, wie ihre Stunden so ablaufen. Beide Kurse sind sehr klein, zwischen 6 und 8 Studenten, die allesamt die Vorlesung freiwillig besuchen. Beides sind Konversationskurse, der eine mit Anfängern und der andere mit bereits Fortgeschrittenen.
Wir machen im Kurs eine Vorstellungsrunde, bei der mir die Studenten auf Deutsch Fragen stellen müssen. Nach dem obligatorischen: Wie heißen Sie? Sind die nächsten beiden Fragen genau folgende: Wann sind Sie nach Japan gekommen? Wann gehen Sie wieder? Ich blinzele für einem Moment, versuche mich noch höflich zurückzuhalten, doch da prustet die Lehrerin bereits los. Unverständnis von Seiten der Studenten. Erst, als ich kurz, die Dozentin lacht immer noch, die beiden Fragen in ihrer japanischen Äquivalente übersetze, können wir alle herzhaft lachen. Wir machen weiter mit einer kleinen Geschichtsstunde zur Teilung Deutschlands und ich darf mindestens vier Mal eine Deutschlandkarte an die Tafel malen. Zum Glück fragt mich keiner, die Bundesländer dazuzuschreiben.
Die nächste Gruppe ist etwas zäher. Sie sprechen besser Deutsch, einige waren bereits in Deutschland für ein Austauschjahr, aber irgendwie scheinen sie heute zu müde zu sein. Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass es jetzt bereits auf 18 Uhr zu geht und ich ebenfalls bereits seit 10 Stunden durchweg im Unterricht bin. Sie bekommen schließlich einen mündlichen Probetest, der anscheinend standardisiert ist. Ein kurzer Text spricht über ein bestimmtes Thema, dazu werden Fragen gestellt, und nach 10 Minuten Vorbereitungszeit sollen die Studenten frei zu diesen Fragen sprechen. Sie werden in Gruppen aufgeteilt und die Lehrerin gibt mir eine von beiden an die Hand. Ich soll portables Wörterbuch spielen. Nun erkläre bitte mal jemand die Phrase „wertschätzendes Miteinander zu unterstützen“ ohne Vorbereitung in einfachstem Deutsch! Ich brauche erst mal ein paar Minuten, um den Inhalt dieser leeren Worthülse zu kapieren. Wer denkt sich bitte solchen Schund aus? Irgendwie schlagen wir uns durch, und ich lerne noch ein paar nette japanische Schimpfworte nebenher.
Am Ende der Vorlesung bin ich völlig platt und ausgelaugt, aber glücklich. Mal sehen, was nächste Woche so bringt.
Was hast du gegessen?
AntwortenLöschenPS: die Welt ist doch wirklich ein Dorf! Da fliegtst du um den halben Erdball, nur um eine Deutschlehrerin mit dem gleichen Vornamen zu treffen.
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