Mittwoch, 7. September 2011

Kinder, ich werde zu alt für den Scheiß!


Kinder, ich werde zu alt für den Scheiß!

Mann... kann nicht einmal alles glatt gehen, wenn ich nach Japan fliege? Nein, das wäre ja zu einfach und der Spannung in diesem Blog auch überhaupt nicht zuträglich. Deswegen tippe ich diese Zeilen auch über den Wolken, nicht etwa nach Japan, sondern nach Korea (Seoul). Aber alles der Reihe nach:

Der Tag fing eigentlich ganz gut an. Letzte Kabel verschwanden im Koffer, und die Fahrt nach Berlin war, abgesehen von einigen wenigen Engpässen, ebenso ereignislos. Doch dann!

Kaum auf dem Flughafen Tegel angekommen, und nach dem Gate gefragt, meinte der nette Herr ganz beiläufig, dass mein Flug außerdem 45 Minuten Verspätung hätte. OH NEIN! Man(n) mag sich vorstellen, dass das für mein Nervenkostüm nicht gerade zuträglich war. Wir socken also sofort zum Check In Schalter (Natürlich am anderen Ende des Flughafens) und bekommen dort erstmal die Auskunft: Neee, also der Flug nach Amsterdam ist hier net. Der von vor zwei Stunden, der war hier, aber der nächste, da müssen sie zurück in Halle A. Leicht angesäuert und nun auch noch außer Atem kommen wir in Halle A am Check In an. Dort ist dann erstmal nichts zu wollen, weil das Kofferband einfach nicht funktionieren will. Doch irgendwann bequemt sich auch ein Techniker zu kommen und wir checken ein. Die Dame am Schalter weiß wiederum von Verspätungen rein gar nichts.

Also: Herz beruhigt, traurig verabschiedet und rein in die Wartehalle. Und dann wird gewartet... und gewartet … und gewartet. Die Boarding Time ktommt... und geht... zwischendrin nölt eine uninteressierte Stewardess in das Mikrophon, die Boarding Tme würde sich verschieben, aber die Abflugzeit bliebe gleich. Ja, klar! Bereits mehr als angefressen stelle ich mich vor das Gate und schaue jeden böse von der Seite an, der es auch nur wagt sich in meine Nähe zu stellen.

Das Ende vom Lied? Wir haben eine Stunde Verspätung und das, obwohl ich nur eine Stunde Umsteigezeit habe. Was tun? Die Stewardess meint, man solle beim Transferdesk nachfragen, sie könne und wolle mir nicht helfen. Währenddessen sehe ich hilflos Papa zu, wie er oben auf dem Besucherdeck steht, mein Flugzeug anstarrt und bestimmt mit jeder verstreichenden Minute genauso hibbelig wird wie ich.

Irgendwann fliegen wir dann los, und kommen natürlich viel zu spät in Amsterdam an. Irgendein Schmarn von wegen zu viel Wind und viel Verspätung. Wer's glaubt! Aber ich habe noch eine Hoffnung: Wenn unsere Maschine schon beim Hinflug so viel Verspätung hatte, dann haben vielleicht alle Maschinen Verspätung und ich schaffe meinen Flug doch noch. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.

Also presche ich ohne Rücksicht auf Verluste aus dem Flugzeug und folge den Schildern zum Tranfer Schalter. Ich renne, keuche und schnaufe gefühlte Kilometerweit Treppen rauf und Treppen runter, und schleppe mich mit letzter Kraft zu einer weiteren unfreundlichen Dame in blassblau. Die meint dann, mit einem Blick auf mein Ticket und einem kurzen Anruf: „Sorry, Gate closed!“

Ich starre sie für einen Moment an und kann es nicht fassen. Wie jetzt, closed? Nix closed! Sie wird nun pampiger: „Alle Passagiere sind da gewesen, also ist das Gate zu.“ Ich traue meinen Ohren nicht: „Aber... aber... ICH bin doch noch hier!“ Keine Chance, die unfreundliche Dame mit strengem Dutt drückt mir nur einen kleinen Zettel mit einer Wartenummer in die Hand und schiebt mich weiter. Hinter mir warten noch mindestens 20 weitere Leute, Tendenz steigend.

Zeit, für einen kleinen Nervenzusammenbruch. Schluchzend und nach Luft schnappend schleppe ich mich in die nächste Wartehalle ohne Sitze und versuche mich wieder zu sammeln. All das Rennen, all die Hektik, und alles für die Katz. Nach 10 Minuten beschieße ich, dass heulen und hyperventilieren zwar an sich seine Vorzüge hat, aber im Moment nicht wirklich viel bringt. Also schaue ich mir die Wartenummer an (A120), die nächste Nummer am Schalter (A90), und füge mich seufzend in mein Schicksal. Eine halbe Stunde später sehe ich plötzlich einen bekannten blonden Haarschopf in der Menge. Ja, kann denn das sein? Ja, es kann! Meine 3 Mitstreiterinnen haben den Flug ebenfalls verpasst, sogar mit noch mehr Verspätung als bei mir. Es gibt ein großes Hallo, es wird zusammen geflucht und gelacht, die Planung für den Abend schon fast perfekt.

Doch wieder zu früh gefreut. Zwar bekomme ich vom relativ freundlichen Mann am Schalter schließlich eine Boardkarte für denselben Flug am Donnerstag zur selben Zeit, aber alle anderen haben in der Maschine keinen Platz mehr. Die drei hatten sowieso schon einen anderen Flug, noch am Mittwoch, über Seoul. Der Herr bietet dann an, mich auch auf diesen Flug zu buchen, und ich sage in einem Moment der geistigen Umnachtung auch noch Ja.

WARUM tue ich so was hirnrissiges? Ich hatte einen angenehmen Flug am Donnerstag mit Übernachtung und allem. Nein, ich fliege zusammen mit den anderen 2 Stunden später nach Seoul, wo wir gegen 10 Uhr morgens am Donnerstag ankommen und dann 9!!! Stunden auf unseren Flug nach Ôsaka warten dürfen. 9!!! Stunden! Und dann kommen wir erst gegen 20 Uhr 40 in Ôsaka an, dass heißt Zug nach Kyôto wird schwierig, und wenn, dann sind wir erst gegen 22 Uhr in Kyôto und kommen wahrscheinlich nicht mal in unsere Wohnheime.

Der Ernst der Lage wird mir auf unserem Weg zum neuen Gate so langsam bewusst. Ich beginne laut und vulgär vor mich hin zu fluchen. Wir sind in Amsterdam, wen stört's? Gut, denke ich mir, irgendwie müssen wir das jetzt geregelt kriegen. Am Schalter haben sie uns neben unseren Bordkarten auch noch einen Gutschein mit 5 Telefonminuten und 10 Euro Essen gegeben. Nur, kein Telephon will diesen verdammten Gutschein akzeptieren! Zum Glück hat Jana ihr Handy dabei, von dem ich kurz bei Papa aufs Band spreche (Plan B heißt Seoul, warum bist du nicht zuhause, mach dir keine Sorgen, das wird schon) und dann versuche, in Japan unseren Kontakt Frau Mori zu erreichen. Es macht TUT.... es macht noch mal TUT... und dann macht es noch ganz viele Male TUT bevor die Verbindung abbricht. Hat man in Japan noch nie von einem Anrufbeantworter gehört???

Wir haben die nächste zündende Idee: Frankfurt! Da können die doch eh viel besser Japanisch als wir. Die müssen Frau Mori eine Mail schreiben. Jana hat zum Glück sogar die Nummer des Sekreteriats. Es macht TUT... es macht noch mal TUT... und dann noch ganz viele Male TUT, bevor ich wütend in eine tote Leitung blöke, weil scheinbar auch in Frankfurt keiner einen Anrufbeantworter hat! Wir brauchen einen Plan, und das schnell! Es sind bloß noch 1,5 Stunden bis zum Flug, und wenn wir in Seoul ankommen, sollten wir eigentlich schon lange angerufen haben.

Also dackele ich mit letzter Verzweiflung zu einem Schalter und versuche mein Glück. Ein neuer Plan: Mit den 5 Freiminuten zu einem Schalter gehen, sie irgendwie in Internetminuten umtauschen lassen, Frau Mori eine Mail schreiben und ihr sagen, dass sie sich kümmern und uns, bis wir in Seoul gelandet sind, eine Mail schreiben soll. Dann holen wir die in Seoul ab und halten uns an die hoffentlich guten Instruktionen. Ich schnappe mir Jana, die Frau Moris Mail Adresse zur Hand hat, und wir socken los. Einmal quer durch die Halle.

Schnell wird am nächsten Schalter klar: Frei Internet gibt es nicht. Und auch mit dem bezahlbaren gibt es Probleme, denn da braucht man eine Kreditkarte. Hamma abba net! Nu, dann gäbe es da noch das Kommunikationscenter. Da könne man unter Umständen, wenn der Mond abnimmt und alle Sternlein stehen... Die Uhr tickt weiter und wir hetzen zum neuen Mekka aller Internet Jünger. Natürlich wieder weit weg.

Dort dann endlich die Offenbarung. Der Automat akzeptiert unser Geld, wir gehen ins Internet und nach einigen wüsten Beschimpfungen will auch Google mich in mein Konto lassen. Die Mail wird geschrieben, wir kaufen uns von den Gutscheinen noch was zu essen und schaffen es rechtzeitig zurück zum Gate. Im Flugzeug sitze ich am Fenster mit schönem Blick, leider eingekesselt von einer familie mit kleinen Kindern. Eins kippt mir noch heißen Tee über die Hose.

Ob wir es schaffen, unseren Flug in Seoul noch umzubuchen und vielleicht zu einer christlichen Zeit in Japan zu sein? Ob Frau Mori eine Lösung hat? Ich weiß es nicht. Aber eins ist sicher: Meine Reise nach Japan hat definitiv begonnen!

Ob wir es schaffen, unseren Flug in Seoul noch umzubuchen und vielleicht zu einer christlichen Zeit in Japan zu sein? Ob Frau Mori eine Loesung hat? Ich weiss es nicht. Aber eins ist sicher: Meine Reise nach Japan hat definitiv begonnen!


Nachtrag: Freies Internet in Seoul gefunden. Frau Mori hat gesagt, alles wie bisher. Ob wir sie wirklich so spaet anrufen koennen? Der Flug konnte nicht umgebucht werden und unser Gepaeck ist nicht auffindbar. Oh Freude...
Der Zöllner für die Pässe spricht nur Koreanisch und Spanisch... öhm... warum?

Nachtrag 2: Und nobel geht die Welt zugrunde. Korea ist doch nicht so schlecht wie gedacht. Man kann hier mit Yen bezahlen, und als Jana und ich uns den Magen vollschlugen, saßen am Nebentisch eine Gruppe netter Japaner mit Buisnessanzug.
Ich sofort mein Japanischbuch (Minna no nihongo- war ja eigentlich zum letzte Minute lernen gedacht) rausgekramt und leicht suggestiv darin geblättert. Köder geschluckt. Keine Minute später waren wir im Gespreach. Der eine Japaner (Wortführer) erklärt, sie kämen aus Fukuoka, und da wäre auch ihr Firmensitz.
Seine Tochter ist wie ich auf die Seinan Oberschule gegangen. Ich lasse dezent einfließen, dass ich ja nach den 6 Monaten Dôshisha gern arbeiten wuerde, und schon bekomme ich 3 Visitenkarten und eine Handynummer von dem Wortfuehrer. Stellt sich heraus, er ist der Praesident einer Firma, die auch in Kyôto Filialen hat und ich solle mich doch melden. Weiss natürlich nicht, wie ernst er das gemeint hat, aber haben ist doch erstmal besser als nicht haben, oder?
Die Firma ist http://www.natural-mori.co.jp/ und ich habe mit dem Herrn Mori gesprochen. Selbst, wenn daraus nix wird, ich konnte mein Japanisch wieder mal an wildlebenden Japanern ausprobieren und habe mich denke ich mal recht gut geschlagen. Zufälle gibts, der Flügelschlag eines Schmetterlings und so...

Nachtrag 3 (jaja, 9 Stunden und so) Erste Bilder online.

4 Kommentare:

  1. Das klingt echt abwechslungsreich ;) Aber am Ende wird alles immer gut, deswegen lohnt sich das Hyperventilieren echt nicht :)

    War die richtige Entscheidung, mit nach Korea zu fliegen. Das schweißt zusammen und ist sicherlich unterhaltsamer als alleine irgendwo zu übernachten :)

    Liebe Grüße, Leo

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  2. Klingt nach einer spannenden Reise - aber am Ende wird alles gut und du hast schon dein erstes Jobangebot - ist doch super! :-)

    Freu mich auf die nächsten Eindrücke.

    Liebe Grüße,

    Wiebke

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  3. Auch ich bin hier mit am Start und habe mir soeben den tristen Lernabend mit deiner spannenden Hinflugstory versüßt :)
    Und gerade die Geschichten erzählt man am Ende doch gern, weil man echt stolz auf sich sein kann, wenn man sowas geschafft hat und wohl behalten angekommen ist, wo man hin will. Ach und Hyperventilieren ist echt nichts Gutes - bringt nur deinen Säure-Base-Haushalt deines Körpers ins Schwanken.

    Sayonara (schreibt man das ungefähr so?! ^^)
    Jenny

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  4. Heyhey!
    Bin grad aus Italien zurück (Venedig ist toll! Und ich habe alle mit Stories von David Tennant als Casanova genervt...XD) und catche gerade mit deinen Blogposts up. :P Mann, Horrorflug, huh? Mach mir keine Angst, ich habe eine Direktverbindung Frankfurt-Osaka, und ich will, dass da alles REIBUNGSLOS abläuft...^^°

    Lg,

    Britt :)

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