Samstag, 12. Mai 2012

Chitose


Es ist kalt. Und zwar nicht etwa kalt im Sinne von: „Ich habe mir einen kurzen Rock angezogen und wurde vom Winter überrascht“. Nein, kalt im Sinne von: „Ich trage 2 Jacken, einen Rollkragenpullover und einen Schal, und trotzdem zittere ich wie Espenlaub.“ Zum Glück gab es in dem Hotel ein gutes Frühstück, während dem ich auch noch zwei Damen aus Shikoku kennenlerne, die mich zu sich einladen. Die Mail-Adressen werden ausgetauscht, und wir werden sehen, ob das was wird. Mein erster Eindruck von Chitose ist jedoch aufgrund der Wetterlage getrübt. Dieser Eindruck revidiert sich auch nicht, während ich mich –sturköpfig wie immer- zwanzig Minuten bergauf mitsamt Koffer zum Hotel kämpfe. Getreu dem Motto: So weit, wie das auf der Karte aussieht, kann das gar nicht sein. Oh doch, es kann.

Auf den Weg zum Hotel und wieder zurück zur Station begegnet mir auch nichts, was meine Stimmung heben könnte. Vielleicht bin ich nach Hakodate und Noboribetsu einfach zu verwöhnt. Aber Chitose ist eine typische Stadt, in der es Alles und gleichzeitig Nichts gibt. Weder der Charme eines Fischerdorfs, noch die Natur einer Bergstadt, und keinerlei Anzeichen von irgendeiner geschichtlichen Signifikanz, die über „und dann haben wir einen Flughafen da hin gebaut. Da war Platz.“ hinausgeht. Viele graue Betonklötzer, ich könnte theoretisch in einer Betonwüste irgendwo auf der Welt stehen.

Die Touristeninformation ist leider auch nicht wirklich ein Lichtblick am Ende des Tunnels. Es sagt viel über eine Stadt aus, wenn die offiziellen Touristenbroschüren freudig verkünden, dass es hier einen Chiropraktiker und einen Zahnarzt gibt. Chitose ist seit der Eröffnung des Flughafens eine richtige Flughafenstadt geworden. Die Besucher bleiben über Nacht vor dem Flug, oder geschäftlich für eine Konferenz. Also gibt es zwar Restaurants in jeder Preisklasse und riesige Shopping Center, aber eben nichts „spezifisches“. Oh doch, ich vergaß,… man hat ein Lachsmuseum.

Doch ich habe diesen Ort ja nicht um seiner selbst willen ausgewählt. Sorry Chitose, aber du bist nur meine Eingangstür zum Shikotsuko (See). Also schnappe ich mir einen der sehr netten Männer in der Touristeninformation und plane meinen morgigen und übermorgigen Tag im Naturgebiet. Zunächst bekomme ich einige gute Nachrichten. Morgen und übermorgen soll es gegen Mittag aufklaren, und kein Regen soll fallen. Auch die Buszeiten sind ok, ich komme zum kleinen Dorf am See morgens und abends wieder zurück ohne Probleme. Doch dann gehen die Probleme los. Außer zu dem kleinen Dorf, gibt es keine öffentlichen Verkehrsmittel. Das heißt der Vulkan Tarumae, die Mooshöhle, und die andere Seite des Sees sind faktisch unerreichbar. Und zu allem Überfluss wurde auch noch das Taxiunternehmen am See geschlossen, sodass ich für ein Taxi von Chitose aus bezahlen müsste. Ganz zu schweigen von den Problemen bei der Rückfahrt. Meine nächste Idee, der See selbst mit den vielen Booten und Kreuzfahrten, entpuppt sich auch als Blindgänger. Die Fähren schippern zwar munter über den See, doch an der anderen Seite aussteigen, kann man nicht.

Schließlich werde ich leicht frustriert und zeige ihm meinen Führerschein. Könnte ich damit ein Auto mieten? Er hängt sich an die Strippe und findet heraus: Prinzipiell ja. Aber praktisch, nein. Ich bräuchte ein amtliches Dokument, dass faktisch nur die Angaben auf meinem Führerschein ins Japanische übersetzt. Dieses Dokument bekommt man auch in einigen Stellen, aber es kostet schon allein 30 Euro. Und es ist nur 3 Monate gültig. Und, wir dürfen den kleinen, völlig unwichtigen Fakt nicht vergessen, dass ich noch nie Linksverkehr gefahren bin.

Meine übrigen Optionen sind: Im Dorf nach befahrzeugten Japanern Ausschau halten und sie zwingen, mich mitzunehmen. Ein Fahrrad mieten und die Strecke bis zu den Parkplätzen bergauf radeln (wie lange auch immer das dauert). Oder solange die Luft anhalten bis irgendwas passiert.

Doch wie gesagt, die Leute in der Touristeninformation sind sehr freundlich und wirklich hilfreich. Schließlich haben sie sogar einen guten Restauranttipp auf Lager, den ich mir zum morgigen Sonntag gönnen werde. Ein ehemaliger Pilot hat in Chitose ein Dschingis Kahn Restaurant aufgemacht. Winziger Raum, in dem sich aber die Piloten gerne die Klinke in die Hand geben und das Essen super sein soll. Knackpunkt? Der Chef kauft ein, und wenn das Fleisch alle ist, macht er zu. Das kann eine, oder zwei Stunden, aber niemals wirklich lange dauern. Hoffen wir, dass ich noch was abbekomme.  

1 Kommentar:

  1. Ohne Auto ist das wirklich doof. Genau genommen ist es in Japan nicht mal mit einem internationalen Führerschein erlaubt zu fahren (obwohl einem nicht viel passiert, wenn man erwischt wird wurde uns gesagt)

    Ich hoffe du findest noch einen fahrbaren Untersatz, der dich zum See bringt und ansonsten nichts wie weg aus Chitose. Für Trostlos hat es bis nach dem Urlaub Zeit.

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