Freitag, 25. Mai 2012

Kanpirasan (Nachtrag da internetlos im Tempel)


Ich liebe mein neues Zuhause im Tempel, aber nachts ist es hier gruselig. Ich bin der einzige Gast, die Haushältern und Mönche leben in einem anderen Trakt, also bin ich in diesem Teil des Tempels völlig allein. So ein hölzerner Tempel knackt nachts, die Schiebetüren klappern und nachtaktive Tiere tapsen über die Veranda. Ganz zu schweigen von den Schatten, die über die papierbespannten Wände wandern. Da überlege ich mir schon zweimal, ob ich nachts raus muss. Auch die ganzen langen Korridore sind malerisch, aber ebenso verwirrend. Manchmal höre ich in meinem Kopf schon „Und hinter Tür 3 versteckt sich…!“, wenn ich wieder statt in meinem Zimmer in einem Gebetsraum, der Toilette oder der Besenkammer stehe. Ich könnte schwören, dass dieses Gebäude zu 80% aus Türen besteht.

Heute werde ich vom prasselnden Regen geweckt. Na super, beste Voraussetzungen für meinen Besuch in Kotohira. Doch mit einem geborgten Schirm geht es trotzdem zum Zug. In Kaiganji gibt es keinen Ort zum Frühstücken, also verschiebe ich meine erste Mahlzeit auf „nach der Ankunft“ in Kotohira. So lange dauert die Fahrt ja auch nicht. Leider werde ich dort  mit einem altbekannten Problem konfrontiert. Es ist 9 Uhr, und kaum ein Geschäft hat auf. Während ich mich also entscheide, auf leeren Magen keine Udon in Soyasoße zu essen, geht es ohne Frühstück an den Aufstieg.

Mein Ziel ist der Kanpirasan, ein Schreinkomplex mit vielfältiger Verwendung. Berühmt als Wahlfahrtsort für Seefahrer, und außerdem bekannt für seine speziellen Schreine nach Geburtstierkreiszeichen, ist er wohl der bekannteste Schrein in Shikoku. Außerdem ist er der am schwersten zugängige Schrein in ganz Japan. Frei nach dem Motto „Die Japaner übertreiben mal wieder“, mache ich mich trotzdem an den Aufstieg.

Die ersten Treppen sind ja noch kein Problem. Und da oben sehe ich auch schon einen Schreinkomplex. So weit ist das doch gar nicht. Nach einem Beweisfoto vor dem vermeintlich obersten Schreintor stehe ich plötzlich vor noch mehr Treppen. An deren oberen Ende winkt wieder hämisch ein Schrein-Plateau. Ok, nun hat mich der Ehrgeiz gepackt und es geht weiter nach oben. Diesmal stehe ich an dem Schrein für die Pferdegeborenen. Wie passend, also wird kurz gebetet, eines der Schreineigenen Pferde fotografiert und weiter geht es nach oben.

Ich passiere immer mehr Plateaus, und werde langsam aber sicher wirklich hungrig. Nach einem ausgiebigen Frühstück am Schrein des Elefanten, bin ich dann um einiges schlauer. Erstens: Es ist noch ein weiter, weiter Weg bis zum obersten Schrein. Zweitens: Ich muss zu dem Schrein, weil es ausgerechnet der für die „Schwein-geborenen“ ist. Und drittens: Dieser Treppenmarathon Schrein-aufwärts wird von den japanischen Selbstverteidigungskräften als Marschstrecke verwendet. Das allein sollte mir eine Ahnung geben, wie hart dieser Aufstieg noch wird. Außerdem werden die neuen Absolventen der japanischen Marine hier gesegnet. Schmucke Männer in Uniform.

Ich will nicht lügen, als der Hauptschrein endlich in Sicht kommt und zusammen mit mir einige japsende Mittelschüler das Plateau betreten, will ich aufgeben. Die Karte zeigt, dass es noch immer ein harter Weg bis zum Gipfel ist, und ich mag nicht mehr. Doch schließlich siegt der innere Trotzkopf, welcher sich nicht von der 85 jährigen Omi erzählen lassen will, dass sie jeden zweiten Dienstag bis zum Schwein-Schrein wandert. Und wenn es das letzte ist, was ich tue. Es wäre auch beinahe wirklich meine letzte Tat geworden, denn an einem Punkt bin ich so fixiert auf’s geradeaus laufen, dass ich beinahe über den Pfadrand hinaus gen Tal gefallen wäre. Da ist ein Stück der Seitenbegrenzung abgebrochen, das sollte mal wer reparieren. Ich japse und fluche, laufe und schlurfe, und irgendwann bin ich endlich oben. Zusammen mit vier weiteren Mittelschülerinnen, die gleich verdonnert werden, ein Beweisfoto zu schießen. Außerdem kaufe ich mir das Mamori vom obersten Schrein. Wenn das jetzt kein Glück bringt, dann spiele ich einfach nicht mehr mit.      

Auf dem Weg bergab habe ich dann viel mehr Spaß an der schönen Landschaft, und wünsche den mir entgegen kommenden Japanern ausgelassen einen schönen Tag. Außerdem kann ich mit einer Gebetsketten Verkäuferin schwatzen und mit meinem besten „armer Student“ Gesicht einen ziemlichen Rabatt herausschlagen. Schließlich esse ich auch noch die berühmten Udon vom Kanpira-san.

Morgen geht es auf nach Naruto, und dann ist meine Reise in Shikoku auch schon fast vorbei. Mitte nächster Woche bin ich wieder in Kyôto, und dann sind es noch 11 Tage bis zum Heimflug. Herrgott, wo ist denn die ganze Zeit hin?

2 Kommentare:

  1. Aber der Elefant gehört doch gar nicht zu den Tierkreiszeichen, oder?

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  2. Die Schlafmatten im Tempel sind ja wirklich dünn. Die habe ich zuerst für Fußbodenfliesen gehalten. Waren wahrscheinlich auch genauso hart!

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