Sonntag, 27. Mai 2012

Naruto


Naruto ist toll! Auch wenn ich keine der Attraktionen wirklich so sehen konnte, wie sie am schönsten sind. Zunächst geht es per Linienbus zur berühmten Observationsbrücke, mit Glasboden zum Beobachten von Wasserwirbeln. Ok, das klingt jetzt nicht besonders toll, aber auf Fotos sehen diese Mini Wirbelströme wirklich cool aus.

Den Bus teile ich mir übrigens mit einer großen Gruppe Grundschüler. Und zwei davon schaffen es, sich trotz großem Gedränge der anderen neben meinem Sitzplatz zu halten. Der etwas ältere fängt dann schließlich ein Gespräch an, und ich bin überrascht, wie offen und selbstbewusst die beiden sind. Sie können nicht älter als 8 gewesen sein (obwohl, bei japanischen Kindern alle Angaben ohne Gewähr), aber fragen mich ohne Scheu nach meiner Reise, Deutschland, und erzählen mir sogar einiges über Naruto. Im ersten Weltkrieg wurden hier nämlich deutsche Soldaten in einem Gefangenlager inhaftiert. (In der Kindervariante klang das natürlich etwas anders: Und da haben Deutsche hier gewohnt. Die durften aber nicht aus ihrem Haus raus. Und dann haben sie sich mit den Japanern gut verstanden und sogar zusammen Musik gemacht.) Danach lese ich es nach und tatsächlich: deutsche Kriegsgefangene in Naruto. Was hatten die denn im ersten Weltkrieg hier zu suchen? Jedenfalls haben die sich anscheinend schnell mit den Einwohnern angefreundet und ein gemeinsames Orchester gegründet. Dieses Orchester hat dann zum ersten Mal in Japan Beethovens 9. Aufgeführt.

Die Brücke an sich ist sehr eindrucksvoll und ich suche fieberhaft nach den angepriesenen Wasserwirbeln. Es kommt dann heraus, dass diese nur zweimal im Monat wirklich gut sichtbar sind. Na gut, trotzdem ist das über den Steinen brechende und in Strömen verwirbelnde Wasser hübsch. Ich rede kurz mit einem Guide der Anlage, und er sagt mir, es würde in 20 Minuten eine Aufführung lokaler Tänze geben. Da stelle ich mich natürlich gleich in beste Zuschauerposition. Bei der Ankündigung der Tänzer muss der Guide dann natürlich erwähnen: „Und wir haben auch einen Zuschauer aus Deutschland dabei. Bei Ausländern ist unsere Brücke sehr berühmt.“ Na gut, die Tänze sind toll, und ich habe auch einige Videos gemacht. Am Ende dürfen sich die Zuschauer dann auch in eine Art japanische Polonäse mit einreihen. Da kommt richtig Stimmung in die… Brücke.

Während meiner Wanderung über die Brücke bin ich irgendwie besonders guter Dinge. Zuerst ist nicht klar warum, bevor es mir auffällt: Die haben hier durch die ganze Anlage Musik laufen. Und zwar nicht irgendeine Musik, nein, das Pokemon-Theme, von der langen Brückenüberquerung (Für Kenner, jene Brücke, über die man endlos lange mit dem Rad rüberfahren musste).

Sonst gibt es in der Umgebung nicht viel draußen zu sehen, also mache ich mich auf den Weg zurück. Die nächste Station ist der erste Tempel der 88 Stätten Pilgerreise auf Shikoku. Wir erinnern uns, einige dieser Tempel habe ich schon außerhalb der Reihenfolge besucht.

Der Weg dorthin ist recht weit, also geht es mit der Bahn weiter, Umstieg inbegriffen. Auf dem Umsteigebahnhof werde ich dann von einer Gruppe älterer Herrschaften angesprochen. Eine der Frauen hat 5 Jahre in Deutschland gelebt und alle sind wirklich freundlich. Es kommt raus, die 3 Männer sind Brüder, die mit ihren Ehefrauen über ganz Japan verteilt leben, und sich nun im Ruhestand jedes Jahr im Heimatort eines Bruders treffen, um dort die Umgebung gemeinsam zu erkunden. Wir haben viel Spaß, und sie entscheiden sich sogar, mich noch zum Tempeleingang zu bringen, bevor sie sich zu ihrem Tagesziel aufmachen. Der eine Herr mit Brille liest mir den Familiennamen jedes Hauses, an dem wir vorbeikommen vor, um mir die verschiedenen Lesungen zu zeigen. Zunächst glaube ich, dass davon nichts in meinem Kopf hängengeblieben ist. Doch den Rückweg zur Bahnstation finde ich nur deshalb, weil ich mich an den gelesenen Familiennamen orientieren kann. Wer hätte gedacht, dass das funktioniert?

Der Tempel ist wunderschön, und hat neben unendlich fetten Kois (die ich natürlich pflichtbewusst ebenfalls füttere), auch tolle Laternen und Statuen zu bieten.

An der Bahnstation treffe ich dann meine alten Leutchen wieder und wir machen uns gemeinsam auf den Rückweg nach Naruto. Ich korrigiere ein paar Sätze für die eine Frau, die bald ein Telefongespräch mit Deutschen führen muss. Als wir uns schließlich in Naruto verabschieden, zieht mich eine der Frauen noch einmal beiseite. Im nächsten Moment hat sie mir auch schon ein paar Scheine in die Hand gedrückt. Als ich versuche zu erklären, dass das nun wirklich zu viel des Guten ist, meint sie nur: „Ich habe mich so gut mit dir unterhalten, dass hat wirklich Spaß gemacht. Und wir hätten dich sonst zum Essen eingeladen. Leider müssen wir noch weiter. Also kauf‘ dir heute Abend was Schönes zu Essen dafür.“ Sprach‘s, und ist im nächsten Moment auch schon mit ihrem Ehemann in einem Taxi verschwunden. Zurück bleibt nur ein völlig überraschter Ausländer. Nur gut, dass wir Adressen ausgetauscht haben. So kann ich ihr von Deutschland aus einen schönen Brief schreiben.

PS: Ich lade das Video mit Zusammenschnitten der Tänze mal auf Youtube hoch. Der Link folgt also. Die ersten Tänze sind noch sehr ruhig, doch dann nimmt das Ganze wirklich Fahrt auf.
http://youtu.be/jF5-O62HroE

2 Kommentare:

  1. Ich verbinde mit der langen Brücke (von Pokemon) ja eher Entnervung. Zumindest wenn man am Anfang erst die ganzen Trainer besiegen muss. Allerdings ist allein der Fakt, dass die Melodie dann an einem real existierenden Ort gespielt wird an sich schon genial.

    Das mit der Barauszahlung der nicht zustande gekommenen Einladung ist echt ungewöhnlich. Hast du dir dann was leckeres von gekauft?

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  2. So ein Mist, die Kurklinik hat den Zugriff auf Youtube gesperrt. Dein Video kann ich erst später anschauen. Aber die Bilder und dein Bericht waren wieder sehr interessant. Ich staune immer wieder, wie du dich selbst nach dem 100 Tempel noch für die Besonderheiten jeder Anlage begeistern kannst.

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