Sapporo ist heute gar nicht so verregnet wie befürchtet.
Dafür ist mein Zimmer nicht so ruhig wie erhofft. Es ist zwar der zweite Stock,
aber wenn das Bett direkt am Fenster zur Hauptstraße liegt, macht das nicht
wirklich einen Unterschied. Nur gut, dass es billig ist und ich nicht vor habe,
wirklich viel Zeit in meinem Zimmer zu verbringen.
Aufgrund der unsicheren Wetterverhältnisse entscheide ich
mich dafür, zunächst in Richtung Sapporo Factory zu wandern. Das ist ein
riesiges Einkaufszentrum auf dem Grund von und teilweise in alten
Fabrikgebäuden. Wenn man bedenkt, dass die Stadt Sapporo erst rund 140 Jahre
alt ist, eine sehr ökonomische Entscheidung. Eines der ältesten Fabrikgebäude
beherbergt außerdem eine ganze Reihe lokaler Künstler/Kunsthandwerker, die ihre
Waren anbieten und teilweise in den Räumen herstellen.
Ich treffe schließlich auf einen alten Essstäbchenmacher. Er
erklärt mir nicht nur die Herstellung seiner Essstäbchen, sondern erzählt mir
auch etwas über die Geschichte des japanischen Bestecks. Die Holzstücke, welche
als Grundlage für die Stäbchen dienen, werden zunächst mindestens ein Jahr im
Freien getrocknet, damit sie die Feuchtigkeit verlieren. Danach werden im Verlauf
eines halben Jahres verschiedene Farb- und Partikelschichten auf die Stäbchen
aufgetragen, um sie widerstandsfähiger zu machen. Schließlich werden Teile der
verschiedenen Schichten wieder abgeschabt, sodass über die Stäbchen verteilt
Ornamente in ganz verschiedenen Farben entstehen. Diese Art der
Stäbchenherstellung ist übrigens rund 400 Jahre alt, und wurde damals vom
herrschenden Tokugawa-Clan in der Edo-Zeit festgelegt. Die ausgesparten
Ornamente dienten dabei der Kontrolle, ob der Stäbchenmacher auch wirklich alle
Schichten auf die Hölzer aufgetragen hat. Damals hatten nur die oberen Klassen
Anspruch auf die Superstäbchen, während normale Leute Stäbchen aus Bambus
benutzten. Außerdem erklärt mir der Stäbchenmacher, dass damals die Japaner
vorwiegend Fisch und nicht Fleisch gegessen hätten. Aus diesem Grund hätten die
Stäbchenmacher die Enden ihrer Stäbchen verjüngt und geriffelt. Auf diese Weise
könne man auch Gräten im Fisch einfach entfernen. (Alle Angaben ohne Gewähr da
erstens durch meine nichtswürdige Übersetzung des Gesagten und zweitens nur
eine einzelne mündliche japanische Quelle belegt.)
Ich bin schwer beeindruckt, kaufe schließlich ein paar
handgemachte Stäbchen (für große Hände) für meinen Vater und bekomme als Dank
(für was, weiß ich wirklich nicht) ein zweites Paar für mich selbst geschenkt.
Ich bedanke mich überschwänglich und ziehe weiter.
Später sitze ich in einer großen Halle bei einem guten Eis
und schaue den internen Windrädern beim Rotieren zu. Was die antreiben, und
warum sie drinnen stehen, wo kein Wind sie antreiben kann, weiß ich wirklich
nicht. Es ist ruhig, jedenfalls bis zwei Gruppen von jungen Müttern mit ihren
Kindern die Bühne betreten. Kaum haben die Kinder ihre Essen inhaliert (für „essen“
ging das viel zu schnell), toben sie als gesammelte wilde Meute über den Platz,
während ihre Mütter sich noch zaghaft vor einander verbeugen und vorstellen.
Dieses Einkaufszentrum hat wirklich alles, was man sich nur
vorstellen kann. Ein Kino, ein Toys’R’Us und auch einen Delikatessenladen. Das
Wort Delikatessenladen habe ich hier in Japan zu hassen gelernt. Diese Läden
sind voll mit Dingen, die ich unglaublich gerne wiedermal essen würde (Haribos,
Leibnitz Kekse, Mini Wiener Würstchen, Rotkraut, Kraft Ketschup, Nutella… jetzt
habe ich Hunger >_<), die aber so unglaublich unverschämt teuer sind,
dass sich mein innerer Geizhals vehement dagegen wehrt. Also sieht man mich
meistens leidenden vor dem Gummibären Regal stehen, und die KLEINE Tüte Haribo
für 5 Euro stetig in und wieder aus dem Warenkorb zu räumen.
Später wandere ich unter einem riesigen geblümten
Regenschirm noch durch die kleinen Parkanlagen der Sapporoer Innenstadt. Die
einzigen anderen Besucher sind meist leidende Schulklassen, die bei Wind und
Wetter von ihren Lehrern trotzdem durch alle Attraktionen gepeitscht werden,
aber irgendwie nie einen Regenschirm dabei haben.
Außerdem suche ich überall verzweifelt nach schönen
Postkarten von Sapporo. Ich finde zwar welche, aber die sind immer gleich Teil
eines Sets von 30+ Karten, die ich nun wirklich nicht gebrauchen kann.
Aus diesem und anderen Gründen geht es morgen auf jeden Fall
zum Zoo hoch im Norden. Dafür muss ich mich nur schon frühmorgens um 6 Uhr aus
dem Bett quälen, um dann irgendwann gegen 10 Uhr am Zoo anzukommen. Aber wehe,
wenn ich dafür nicht wenigstens fast von einem Löwen aufgefressen werde.
Sind das Kirschholzstäbchen? Im Norden sind Utensilien aus Kirschholz total beliebt und die sehen auch wunderschön aus!
AntwortenLöschenDu hast es ja nicht mehr lange, bis du wieder an der Hariboquelle bist. Also tapfer zurück gelegt. Steckt das Geld lieber in japanische Süßigkeiten, die du dir nach Deutschland schickst. Vielleicht magst du jetzt gerade lieber Haribo, aber wenn du erstmal ein paar Monate in Deutschland und von Pfirsichkitkat getrennt bist, bereust du es vielleicht.