Das heutige Ziel meiner Reise heißt Uchiko, eine Stadt, die
einst durch den Wachshandel florierte. Seit dieser um 1910 eingebrochen ist,
haben sich die Einwohner zum Glück ihrer schönen alten Gebäude besonnen, und
diese liebevoll restauriert. Heute ist der Ort deswegen größtenteils ein Touristenmagnet,
oder soll es jedenfalls sein.
Ich mache mich morgens auf den Weg zur Matsuyama JR Station
und treffe auf den kleinsten Zug, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Nur
ein Wagon, fast wie eine Straßenbahn, nur eben ein richtiger Zug. Der Zugführer
checkt natürlich trotzdem pflichtbewusst jeden Zentimeter das Fahrzeugs vor
Fahrtbeginn. Wobei ich schon meinen Spaß habe, ihm zuzusehen, wie er in
knapp 10 Schritten vom Anfang bis zum Ende des „Zuges“ schreitet. Mit mir
zusammen fahren natürlich wie immer ein paar Rentner und zwei jüngere Leute.
Wir fahren in einer Stunde durch mindestens 10 Tunnel, aber die Landschaft der
Berge ist wunderschön. Während ich mit Hokkaidô jetzt wohl auf ewig das
Adjektiv „bunt“ assoziieren werde, ist Shikoku für mich nach dieser Zugfahrt
vor allem eins: grün. Grün in jeglicher Schattierung.
Als erstes treffe ich in Uchiko auf eine Manju Verkäuferin,
deren Alter ich beim besten Willen nicht mehr feststellen kann. Aber sie ist so
winzig, dass sie unter der halbverhangen Tür durchgehen kann, ohne den Stoff
auch nur zu berühren. Gleich neben ihrem Geschäft steht ein wunderschönes,
altes Kabuki Theater. Das Theater haben die Bewohner der Stadt zu Hochzeiten
der Wachsherstellung in Eigenfinanzierung gebaut, dann hatte es einige andere
Funktionen, bis es vor 95 Jahren restauriert und wieder als Kabuki Theater
eröffnet wurde. Ich habe noch nie wirklich alles in einem japanischen Theater
anschauen und anfassen dürfen. Das ist eine wundervolle Erfahrung, vor allem,
weil ich einen Guide ganz für mich alleine habe, und die Frau mir alles ganz
geduldig erklärt. Die Bühne kann rotieren (früher von 4 starken Männern bei
völliger Dunkelheit im Keller mit reiner Muskelkraft betrieben), und es gibt
zwei Falltüren mit wirklich cleveren System. Aber wenn ich mir vorstelle, dass
die Leute früher in einer dieser kleinen Parzellen zu sechst saßen… Auch die
Akustik im Raum ist wundervoll. Und einige der Glasfenster stammen noch aus dem
Anfang des 19. Jahrhunderts.
Die Damen an der Information sind außerdem ungewöhnlich
unüberrascht über meiner Herkunft. Auf Nachfrage kommt heraus, dass in Uchiko
eine gewisse „Doris“ in den letzten Jahren Forschungen zum Kabuki Theater
angestellt hat und sich eine ganze Zeit lang hier aufhielt. Also, verkünden die
Damen aus tiefster Überzeugung, seinen Deutsche interessiert am Kabuki und
außerdem gut in Japanisch. Na gut, besser dieser Ruf als ein anderer.
Vor dem Theater unterhalte ich mich mit einem Ehepaar aus Kyôto. Das Gespräch beendet sichließlich der Mann mit der Aufforderung: "Such dir einen japanischen Mann!" Zu Befehl!
Vor dem Theater unterhalte ich mich mit einem Ehepaar aus Kyôto. Das Gespräch beendet sichließlich der Mann mit der Aufforderung: "Such dir einen japanischen Mann!" Zu Befehl!
Ich laufe im Anschluss weiter durch die wundervollen kleinen
Straßen mit ihren alten Häusern. Ein sehr „neumodischer“ Schmuck hängt als
Windspiel hier in vielen Fenstern. Bei näherer Betrachtung kommt heraus, dass
es sich um aufgeschnittene Plastikflaschen mit Draht handelt.
Eigentlich habe ich mich die ganze Fahrt über auf die
traditionelle Wachsfabrik gefreut, aber die hat folgerichtig genau heute
geschlossen. Doch wenigstens finde ich später noch das Wohnhaus einer der
führenden Wachsfamilien der Stadt nebst Wachsmuseum.
Die Souvenirgeschäfte entlang der Haupt- und Nebenstraßen
sind irgendwie eine Enttäuschung. Während einem Plausch mit der Besitzerin
eines Cafês (bei dem ich ihrer Katze kahle Stellen ins Fell streichle), erfahre
ich, dass der Tourismus in dieser Region im letzten Jahr stark zurückgegangen
ist. Aus diesem Grund haben sich die Händler versucht „breiter“ aufzustellen
und bieten nun so ziemlich alles an, was man auch sonst in Japan findet.
Zwischen all dem „Zeug“ dann die kleinen lokalen Perlen zu finden, gleicht der
Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Das Wachsmuseum mit den restaurierten Wohn- und
Arbeitsräumen ist wirklich sein Geld wert. Die wundervollen Zimmer sind ja
schon toll anzuschauen, aber auch die Arbeitsplätze der Wachsherstellung sind
restauriert. Über einem Feuer bekomme ich dann noch kostenlose Reiskekse
zubereitet.
Während ich mit etwas Abstand dem Guide folge, erblickt mich
ein kleines Mädchen von etwa 2 Jahren. Die Mutter bemüht sich redlich, ihr
diese Gebäude schmackhaft zu machen. „Schau mal, das war das alte Bad, und
schau mal der Garten, und der Tatami, ganz weich…“…“Mama! Da! Die hat gelbe
Haare!“…“Und schau hier, das ist eine alte Toilette. Sieht die nicht komisch
aus?“ …“Mama, die ist ganz weiß!“… „Und schau hier, da geht es auf den Dachboden.“
… „Mama! Die ist komisch!“ Währenddessen kann ich es natürlich nicht lassen,
hinter dem Rücken der Mutter Grimassen zu schneiden, wann immer die Kleine in
meine Richtung schaut. Am Ende finden wir uns alle drei auf dem Dachboden
wieder, wo sich die Mutter peinlich berührt für ihre Tochter entschuldigt, als
sie merkt, dass ich Japanisch spreche. Nachdem ich mich meinerseits für die „Ablenkung“
entschuldige (Merke: Entschuldigen ist immer gut.), verabschiedet sich die
Kleine noch mit einem dreimaligen Bye Bye! Von mir. Wenn das nicht kawaii ist,
dann weiß ich auch nicht mehr weiter.
Nach dem erfolgreichen Rückweg, erreiche ich mit Abendessen
und zwei lokalen Mandarinen das Capsule Hotel. Im Aufenthaltsraum entdecke ich,
dass das Hotel kostenlos Fahrräder verleiht. Damit ist mein morgiger Tag in
Matsuyama bereits geplant.
Hinweis in eigener Sache: Ich entschuldige mich hiermit für die Langweiligkeit meiner letzten Beiträge. Meine Fähigkeit der Beschreibung ist irgendwo mit meinem Sprachgefühl verloren gegangen. Diese ganzen Reiseerzählungen nach dem Schema "Als erstes ging ich dahin, und dann dorthin, und das war alles total toll" werden mit der Zeit sicher langweilig. Vielleicht schaffe ich es nach meiner Rückkehr nach Deutschland, den Blog zu überarbeiten, dass er für mehr als meine Familie interessant wird.
Also ich habe mich bisher noch nie gelangweilt und heute köstlich gelacht, über deine witzige Schilderung des Dialoges zwischen der Mutter und ihrer kleinen Tochter.
AntwortenLöschenIch finde es auch nicht langweilig. Du sollst außerdem deinen Urlaub genießen und dir nicht den Kopf zerbrechen was du geniales im Blog schreiben könntest. Durch die Fotos bekommen wir ja noch viel mehr mit, als du beschreibst.
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